Strategie & Management

Nachfolgemanagement

Wie sich Stolpersteine umgehen lassen

Ein Kardinalfehler bei der Regelung der Unternehmensnachfolge liegt darin, dass der oder die Eigentümer sich zu spät Gedanken dazu machen. Dann tritt der Fall der Fälle ein – und nichts ist geregelt, mit fatalen Folgen zunächst für den Eigentümer selbst. Doch das ist nicht der einzige Stolperstein, der beiseitegeräumt werden muss.
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Damit hatte der 67-jährige Unternehmer aus Basel nun wirklich nicht gerechnet: Ohne gross darüber nachgedacht zu haben, war er davon ausgegangen, seine Tochter würde «irgendwann eines Tages» das Familienunternehmen übernehmen. Schliesslich hat sie fast fünf Jahre lang in der Marketingabteilung der mittelständischen Firma aus dem Konsumgüterbereich gearbeitet und die Abläufe und Prozesse «von der Pike auf» kennengelernt. Jetzt teilt sie ihrem Vater mit, sie wolle umsatteln. «Erst mal studieren, dann weiterschauen», so ihre lapidare Antwort auf die Frage ihres alten Herrn, was sie denn konkret vorhabe. Dem Familienpatriarchen dämmert es: «Ich hätte viel früher über die Zukunft der Firma nachdenken und mit meiner Tochter besprechen müssen, ob ich mit ihr rechnen kann.»

Frühzeitig handeln

Dass der «auserwählte» Nachfolger die Unternehmensnachfolge gar nicht antreten will, ist nur einer der zahlreichen Stolpersteine, die die Nachfolgeregelung zu einem schmerzhaften Hindernislauf werden lassen können. Vor dieser Heraus­forderung standen und stehen zahlreiche Eigentümer insbesondere kleiner und mittlerer Unternehmen. Die Regelung der Nachfolge ist und bleibt damit eines der wichtigsten Themen auf der Agenda von Unternehmensinhabern. Umso erstaunlicher ist, dass gerade Eigentümer, die es gewohnt sind, ihr berufliches Leben lang strategisch zu denken, diese Weitsicht ausgerechnet bei dem doch so ­existenziell wichtigen Nachfolgemanagement ausser Acht lassen. 

Dabei ist die Sachlage klar: Wegen des demografischen Wandels und der oft geringen Bereitschaft gerade jüngerer Menschen, zu gründen oder den Staffelstab zu übernehmen, fehlt es allein rechnerisch an genügend Nachfolgern. Entscheidend ist daher, sich frühzeitig zu überlegen, ob eine familieninterne Nachfolgeregelung möglich ist oder die Übergabe der Un­ternehmensführung an eine dritte Person eine Alternative ist. Ebenso ist abzuwägen, ob die Familie Eigentümer bleibt oder der Verkauf des Unternehmens eine Option darstellt. Weitere Möglichkeiten sind die Verpachtung der Firma oder ­deren Einbringung in eine Stiftung.

Die persönliche Perspektive 

Zurück zu dem Beispiel des 67-jährigen Unternehmers aus Basel: Was eigentlich bedeutet dessen Überlegung, «irgendwann eines Tages» würde die Tochter die Nachfolge antreten? Sie zeigt, dass der Eigentümer keine persönliche Perspektive für «die Zeit danach» entwickelt hat: Was passiert, wenn er mit seiner ­Erfahrung eben nicht mehr permanent in der Firma anwesend ist und alles regeln kann? Wie geht er damit um, möglicherweise nicht mehr gebraucht zu werden? Ist er, der Familienpatriarch, überhaupt willens und in der Lage, loszulassen und die Verantwortung in andere Hände zu ­legen? Anstatt im perspektivenlosen Nebel herumzustochern, ist es richtig, sich mit der individuellen Situation zu beschäftigen. Erst danach ist es zielführend, zwischen den verschiedenen Alternativen zur Nachfolgeregelung abzuwägen oder sich gar mit den finanziellen, rechtlichen und steuerlichen Aspekten im ­Detail auseinanderzusetzen.

Um es pointiert auszudrücken: Gelun­genes Nachfolgemanagement beginnt nicht mit der Terminvereinbarung mit dem Steuerberater, sondern mit dem Austausch mit Menschen, die eine ähnliche Situation durchlebt und vielleicht auch durchlitten haben, sowie mit Gesprächen im Unternehmensnetzwerk und mit befreundeten Verbandsmitgliedern. Vielleicht ist eine Auszeit eine Lösung, etwa eine ausgedehnte Reise, auf der sich der Eigentümer «out of the box» grundsätzlich die Frage stellt, was er mit seinem Leben «danach» anfangen will. Und natürlich gehört dann auch die Beschäftigung mit der Nachfolgeregelung dazu. Aber erst dann.

Der Faktor Mensch

Oft sind unklare Vorstellungen des Eigentümers oder unterschiedliche Zielsetzungen innerhalb der Unternehmerfamilie über die unternehmerische Zukunft Zündstoff für Konflikte und Stolpersteine. Der wahre Grund liegt jedoch tiefer, eben im Fehlen der persönlichen Perspektive. Wer die Vermögens- und Steuerplanung oder das Gesellschafts- und Erbrecht zur Grundlage des Nachfolgemanagements macht, plant am Wesentlichen vorbei. Im Mit­telpunkt gelungenen Nachfolgemanagements sollte vielmehr der Mensch stehen. Oder besser: die Menschen. Denn neben der persönlichen Sichtweise des Eigentümers sind die Haltung und Bewertung der ­Situation durch diejenige Person entscheidend, die das Steuer des Unternehmensschiffes zukünftig in die Hand nehmen soll – in dem Beispiel oben die Tochter.

Allzu oft geht es in Nachfolgediskussionen um die mangelhaften oder fehlenden Qualifikationen und Kompetenzen potenzieller Kandidaten. Auch dieser Aspekt verdient Berücksichtigung – Fehleinschätzungen bezüglich der unternehmerischen Eignung und Kompetenzen gehören zu den Stolpersteinen, die bei Nachfolgeprozessen immer wieder eine Rolle spielen. Noch relevanter allerdings ist die Frage, ob ein Kandidat die Nachfolge überhaupt antreten will: Möchte die Tochter des 67-jährigen Firmenlenkers ihr Leben – was auch das privat-persönliche Leben umfasst – der Firma widmen?

Eigentümer setzen das bei ihren Nachkommen oft unreflektiert voraus. Ob diese ein Angestelltenverhältnis, auch an anderer Stelle, vorziehen oder ein anderes Lebensmodell ins Auge fassen, bei dem die Übernahme von Verantwortung für das Familienunternehmen nur hinderlich ist, fragen sie sich erst gar nicht. Wiederum gilt es, die persönliche Perspektive zu betrachten – dieses Mal die Haltung des potenziellen Nachfolgers.

Rat von aussen einholen

Häufig fällt es den unmittelbar beteiligten Personen schwer, in der zuweilen auch emotional geführten Nachfolgediskussion kühlen Kopf zu bewahren und eine persönliche Perspektive zu entwickeln. Meistens gilt die Konzentration den unternehmerischen Aspekten. Schliesslich sollen die Stakeholder nicht verunsichert werden, etwa die Mitarbeiter, die Lieferanten und die Kunden. Darum ist es wichtig und richtig, sich extern beraten und unterstützen zu lassen. Der unbefangene und objektive Blick von aussen ermöglicht den Beteiligten die Erarbeitung persönlicher Perspektiven und Zielstellungen und kann zur Professionalisierung der Nachfolgeregelung beitragen.

Dies ist übrigens im Fall des 67-jährigen Unternehmers geschehen: Ein Coach hat die Vorstellungen, Erwartungen, Werte und Motive aller Beteiligten einbezogen, mit ihnen ihre Ist-Situationen analysiert, eine Bestandsaufnahme vorgenommen und mit dem Eigentümer und den po­tenziellen Nachfolgern – zu denen die Tochter zählt – deren Interessen zusammengeführt und Lösungsvorschläge er­arbeitet. Der Nachfolgeprozess ist noch nicht abgeschlossen: Im Idealfall werden die Beteiligten zu einer einvernehmlichen Lösung gelangen und einen umsetzungsorientierten Massnahmenplan erstellen. Sollte keine familiäre Nachfolge zustande kommen, muss in der Familie neu überlegt und eventuell eine externe Alternative in Betracht gezogen werden.

Gute Grundstimmung erzeugen

Erst nach der Erarbeitung der grundsätzlichen Regelung geht es auf dieser fundierten Basis in die Detailarbeit und die Diskussion und Beantwortung der konkreten Nachfolgeregelung, die auch administrative Aspekte umfasst. Wann werden Unternehmensanteile übertragen, Prokura erteilt, die Geschäftsführung erweitert? Welche Regelungen stellen für die Beteiligten die günstigsten Optionen dar, auch rechtlich, steuerlich und finanziell? Wie lässt sich die Nachfolgeregelung so nach aussen kommunizieren, dass die Stakeholder erkennen, die Veränderungsprozesse seien auch in ihrem Sinn? Ein professionelles Nachfolgemanagement dient der Erzeugung einer konstruktiven und produktiven Atmosphäre und Grundstimmung, und zwar im Unternehmen aufseiten der Führungsebenen und der Mitarbeiter sowie auch im Umfeld.

Trotz aller Voraussicht und weitsichtigen Planung können Hindernisse auftreten. Ein klassisches Beispiel: Der Eigentümer mischt sich immer wieder ein, hinterfragt die Entscheidungen des Nachfolgers, kann allen anderslautenden Beteuerungen entgegen einfach nicht loslassen. In der Konsequenz ist es dem Nachfolger nicht möglich, seine Rolle in der Firma zu finden – das sorgt für Unruhe und Verunsicherung, selbst wenn der Eigentümer formal keine Befugnisse mehr hat. Eine sachliche und einvernehmliche Konfliktlösung, an der alle Betroffenen beteiligt sind, ist die beste Variante. Miteinander sprechen und gemeinsam im Sinn des Unternehmens handeln – sollte dies nicht möglich sein, bietet ein Mediationsverfahren den passenden Rahmen. Ziel ist, eine Lösung im Konsens zu finden, zu der alle Beteiligte «Ja» sagen können.

Fazit

Der gelungene Prozess zur Unternehmensnachfolge beginnt mit dem Verständnis des Eigentümers, der ihn früh- und rechtzeitig anstossen sollte, sowie der Willenserklärung des potenziellen Nachfolgers. Die Kenntnis der eigenen Bedürfnisse stellt die Grundlage für ein effektives Nachfolgemanagement dar.

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