Strategie & Management

Vertragsmanagement

Wie KMU ihre Verträge im Griff haben

Jedes Unternehmen schliesst täglich Verträge ab. Das kompetente Management dieser Verträge wird damit zum zentralen Erfolgsfaktor. Der Beitrag zeigt, worum es beim Vertragsmanagement genau geht und wie sich Verträge und vertragsbezogene Prozesse auch in der KMU-Praxis möglichst effizient und effektiv gestalten lassen.
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Wie wichtig Verträge im Geschäftsleben sind, zeigt schon der prominente Platz, den ihnen der Schweizer Gesetzgeber im Obligationenrecht einräumt: Art. 1 OR umschreibt den Vertrag als Rechtsgeschäft, das durch übereinstimmende gegenseitige Willensäusserung von min­destens zwei Parteien entsteht.

In jedem Unternehmen, ob KMU oder Grosskonzern, werden täglich Verträge geschlossen. Von Kundenverträgen im Kerngeschäft über vielschichtige Vereinbarungen mit Zulieferern und anderen Geschäftspartnern bis hin zu Arbeitsverträgen mit den Mitarbeitenden – Verträge sind das rechtliche Abbild wirtschaftlicher Aktivität.

Das Vertragsmanagement 

Mit dem Eingehen und Ausführen von Verträgen geht deren Management einher. Für die Begriffe «Vertragsmanagement» und das englische «Contract Management» bestehen keine einheitlichen Definitionen und sie werden je nach Kontext mit unterschiedlicher Bedeutung ­verwendet: So kann damit eine bestimmte Organisationseinheit innerhalb eines ­Unternehmens bezeichnet werden, die vertragsbezogene Aufgaben wahrnimmt. Oder man kann damit eine bestimmte ­IT-Lösung meinen, ein sogenanntes Contract Lifecycle Management (CLM) Tool, das Funktionen wie Fristenkontrolle oder digitale Archivierung bietet. 

In einem umfassenden Sinn bezeichnet Vertragsmanagement die Gesamtheit aller planerischen, organisatorischen, kontrollierenden und dokumentarischen Tätigkeiten, die dazu dienen, Verträge zu gestalten und zu realisieren (vgl. etwa Heussen, B. [2014]. Funktionen und ­Bedeutung der Verträge im Rechtssystem. In: Heussen, B. & Pischel, G. [Hrsg.], Handbuch Vertragsverhandlung und Vertragsmanagement – Planung, Verhandlung, Design und Durchführung von ­Verträgen [4. Auflage], S. 24 f.). 

So beginnt Vertragsmanagement schon vor der Entstehung des Vertrags, beschlägt dessen gesamten Lebenszyklus und überdauert ihn nach dem ­Erlöschen. Über seine Lebensdauer hinweg wird der Vertrag zum Gegenstand verschiedener Tätigkeiten: Zum Beispiel wird er verhandelt, meistens verschriftlicht, unterzeichnet und abgelegt. Später müssen bisweilen vertragliche Ansprüche durchgesetzt werden, vielleicht muss er nachverhandelt werden oder man sollte ihn rechtzeitig kündigen. 

Trotz ihrer Vielfalt können die vertrags­bezogenen Tätigkeiten vereinfacht in drei grosse Dimensionen unterteilt werden: eine rechtlich-vertragsgestalterische, eine strategisch-verhandlungstaktische und eine organisatorisch-prozessbezogene Dimension. So entsteht das nachfolgend abgebildete «Big Picture», mit dem sich Vertragsmanagement veranschau­lichen lässt.

Grossunternehmen rüsten auf

Gemäss der 2021 letztmals durchgeführten Studie «Global Legal Department Benchmarking Survey» des Beratungsunternehmens KPMG beanspruchen Verträge den Löwenanteil der Ressourcen der Rechtsabteilung von grösseren Un­ternehmen. Und diese setzen für das Handling von Verträgen zunehmend auf CLM-Tools, um den Anforderungen der immer vernetzteren, internationaleren und projektbasierteren Wirtschaft mit ­ihren steigenden regulatorischen Vor­gaben gerecht zu werden.

KMU sind mit ähnlichen Rahmenbedingungen konfrontiert, verfügen aber meist weder über eine eigene Rechtsabteilung noch über die notwendigen Ressourcen für eine auf das Management von Ver­trägen spezialisierte Software. Gleichzeitig haben sie gegenüber grossen Unternehmen aber auch entscheidende Vorteile: Zwar fallen auch bei ihnen viele Verträge an, aber im Vergleich mit Grossunternehmen trotzdem deutlich weniger. Ebenso sind in KMU regelmässig weniger Stellen und Personen in die vertragsbe­zogenen Prozesse involviert. Das Setting ist somit weniger komplex und bietet Raum für simple, aber passgenaue Lösungen, Zuständigkeiten und Prozesse. 

Vertragsmanagement in KMU 

Die kompetente Gestaltung des Vertragsmanagements beginnt für jedes Unternehmen, und gerade für ein KMU, mit ­einer präzisen Analyse der Ist-Situation:

  • Wie viele und was für Verträge bilden das Kerngeschäft?
  • Stehen standardisierte Vereinbarungen oder komplexe Individualverträge im Zentrum?
  • Wie werden die Verträge aktuell bewirtschaftet (zum Beispiel analog/­digital, dezentral/zentral)? 
  • Wie sind die Regeln, Zuständigkeiten und Prozesse organisiert? 
  • Wer hat spezifisch wann mit welchen Verträgen zu tun?
  • Wie digital ist das Unternehmen im Allgemeinen und bezüglich des Vertragsmanagements im Besonderen aufgestellt? Welche IT-Lösungen sind wofür im Einsatz?

Darauf aufbauend lassen sich die Bedürfnisse an ein betriebliches Vertragsmanagement-System definieren:

  • Welche Bedeutung wird Verträgen und deren Management intern beige­messen?
  • Welche externen (regulatorischen und anderen) Vorgaben beeinflussen die Verträge und deren Management?
  • Welche Ziele werden bezüglich des Vertragsmanagements verfolgt?
  • Welche personellen, zeitlichen und ­finanziellen Ressourcen können und ­sollen zukünftig für das Vertragsmanagement eingesetzt werden?

Aus dem Status quo und den Bedürfnissen lässt sich ein Konzept für das betriebliche Vertragsmanagement ableiten. Darin ­werden für die einzelnen vertragsbezogenen Aufgaben Regeln, Zuständigkeiten und Prozesse definiert. Dieses Konzept kann dann als Basis dienen, um zu eru­ieren, ob die Einführung einer digitalen Vertragsmanagement-Lösung angestrebt werden soll, und, wenn ja, wie eine solche IT-mäs­sige Abbildung und Umsetzung konkret aussehen müsste.

Passende IT-Lösung finden

Die passende IT-Unterstützung des Vertragsmanagements ist grundsätzlich für jedes Unternehmen empfehlenswert, da Verträge damit besser, schneller und ressourcenschonender bewirtschaftet werden können. Allerdings gibt es bei der Auswahl einer geeigneten Lösung kein allgemeingültiges Patentrezept. Vielmehr sollte anhand der konkreten Ausgangslage und Anforderungen sowie des Reifegrades des aktuellen betrieb­lichen Vertragsmanagements der individuell passende Ansatz definiert werden.

Für die meisten KMU lohnt sich hier der Fokus auf das Wesentliche. CLM-Tools bieten häufig Funktionalitäten, die nur dann einen echten Mehrwert bringen, wenn sehr viel Bewirtschaftungsaufwand investiert wird. Hier ist realistisch ab­zuschätzen, welche «Must-have»-Funktionen im Geschäftsalltag tatsächlich zwingend nötig und welche «Nice-to-have»-Funktionen verzichtbar sind. Meistens gilt: Besser ein simples Tool, dessen wenige, aber wichtige Funktionen von allen Beteiligten konsequent genutzt werden, als ein teures Tool mit umfassenden ­Möglichkeiten, die von niemandem wirklich ausgeschöpft werden. 

Punkto Bewirtschaftungsaufwand sollten auch KMU bei der Auswahl einer ­Lösung darauf achten, wie viele und welche Angaben für die sinnvolle Erfassung eines Vertrags erforderlich sind, was davon im Einzelnen manuell einzugeben ist und was die Lösung zuverlässig automatisiert aus dem Vertragsdokument ­extrahieren kann. Denn manuelle Eingaben sind ­tendenziell fehleranfällig und gerade in KMU kann kein Vollzeitvertragsmanager sämtliche Eingabefehler und fehlenden Eingaben korrigieren. Daraus ergibt sich zusammengefasst: Die ideale Vertragsmanagement-Lösung für ein KMU muss nicht alles Mögliche können, aber das, was sie kann, wenn möglich, automatisiert.

Die Basisfunktionen, die im Zentrum stehen, werden häufig auch von Standard-Programmen abgedeckt. Diese bieten den Vorteil, dass sie sich besonders gut in die sonstige IT-Architektur integrieren lassen – auch dies ein Plus gerade für KMU.

Und schliesslich gilt unabhängig von der Unternehmensgrösse: Das beste Vertragsmanagement-System funktioniert nur, wenn es aktiv bewirtschaftet wird. Hierfür muss es adäquat und verständlich dokumentiert und kommuniziert werden. Zudem sind alle Mitarbeitenden, die mit Verträgen arbeiten, regelmässig für die Bedeutung eines sorgfältigen Handlings zu sensibilisieren und zu schulen und die Einhaltung der definierten Ordnung sollte in geeigneter Weise kontrolliert werden.

Gefragtes Know-how

In der Praxis sind Fachleute aus diversen Disziplinen für das Contract Management zuständig: Häufig verhandeln und betreuen Juristen oder Experten mit kaufmännischem oder technischem Hintergrund die Verträge eines Unternehmens. Hierfür benötigen sie ein breites Set an Know-how und Skills: Neben dem spezifischen Fachwissen zum konkreten Vertragsinhalt stehen bei komplexen Vertragsverhandlungen beispielsweise taktisches Geschick und kommunikativpsychologische Fähigkeiten im Vordergrund. Beim Entwerfen von Vertragsdokumenten wiederum sind Kenntnisse im Recht und der Vertragsgestaltung unabdingbar. Und schliesslich erfordert die effi­ziente Bewirtschaftung des betrieblichen Vertragsbestands solide Prozessmanagement-Skills.

Um das interdisziplinäre Rüstzeug für das kompetente Handling von Verträgen zu erlangen, bietet die Hochschule Luzern mit dem CAS Vertragsmanagement ein Weiterbildungsprogramm an, mit dem Fach- und Führungskräfte aus den unterschiedlichsten Bereichen ihre Kompetenzen in diesem wichtigen und zukunftsträchtigen Feld vertiefen können.

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