Strategie & Management

Changemanagement

Kontinuierliche Veränderung als Daueraufgabe

Veränderung ist längst nicht mehr etwas, das Unternehmen als optional ansehen dürfen. Vielmehr gilt es, auf Veränderungen vorbereitet zu sein und nicht erst dann zu reagieren, wenn der Leidensdruck zu hoch ist. Der Beitrag zeigt, an welchen Stellschrauben zu drehen ist, um Veränderungskompetenz im Unternehmen zu verankern.
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Wir stecken mitten in der Digitalisierung, Umfeld und Märkte wandeln sich in atemberaubendem Tempo, und ehe man sich versieht, werden etablierte Produkte von neuen, bahnbrechenden Innovationen verdrängt. Um wettbewerbsfähig zu bleiben, müssen Veränderungen bereits ini­tiiert werden, bevor spürbarer Leidensdruck entsteht. Eine konstante Change-
Fähigkeit ist inzwischen ein etabliertes Qualitätsmerkmal von Unternehmen, ebenso von ihren Managern und Führungskräften. 


Kontinuierlicher Change 

Viele Unternehmen sehen sich jedoch einer grossen Herausforderung gegenüber: Sie stecken oftmals in einer eingefahrenen Kultur fest – ganz anders als Start-ups, deren Strukturen, Prozesse und kulturelle Spielregeln sich erst parallel zum ersten Zyklus der Produktentwicklung herauskristallisieren. Diese Unternehmenskultur hat sich zwar über die Jahre erfolgreich bewährt, bringt jedoch einen starren Apparat an Regeln und Verhaltensmustern mit sich, mit denen nicht mehr schnell und spontan auf Unerwartetes reagiert werden kann. Die Folge: Vielerorts wird lieber erst mal abgewartet, bis Veränderung unausweichlich und der Leidensdruck zu hoch werden. Unter grossen Schmerzen und Anstrengungen wird dann mit letzter Kraft ein Changeprozess mit der Brechstange durchgeführt, um das Ruder noch herumzureissen. Solche Hauruck-Aktionen sind nur eine Lösung auf Zeit. Was es stattdessen braucht, ist eine Unternehmens- und damit eine Führungskultur, die Platz für kontinuierlichen Change schafft und alle Beteiligten befähigt, sich aktiv einzubringen.

Hier herrscht dringender Handlungsbedarf, wie auch die Ergebnisse des aktuellen «Führungsbarometers» zeigen, das Penning Consulting zusammen mit Forsa durchgeführt hat. Befragt wurden insgesamt 90 HR-Chefs, jeweils zu einem Drit­tel in Unternehmen mit 400 bis 500 Mitar­beitern, mit 501 bis 1000 Mitarbeitern und mit mehr als 1001 Mitarbeitern.


Kultur als Schlüsselfaktor

Zufriedene Mitarbeiter, die engagiert die Strategie der Firma umsetzen, eigene Ideen einbringen, Innovationen vorantreiben und gemeinsam zu einem harmonischen Betriebsklima beitragen – das klingt zu schön, um wahr zu sein. Die gute Nachricht: Dieses Szenario ist kein Traum. Es lässt sich mithilfe einer erfolgreichen Unternehmenskultur realisieren. Eines ist jedoch klar: Es gibt nicht die eine ideale Kultur, die Veränderungen begünstigt und Unternehmen den Weg in eine erfolgreiche Zukunft ermöglicht. Jedes Unternehmen muss für sich selbst bestimmen, welche Werte es vertritt, welche Aus­senwirkung besteht, wie mit Mitarbeitern, Kunden, Partnern und Lieferanten umgegangen wird – und in welchen Bereichen optimiert werden muss, um die Weichen auf langfristigen wirtschaftlichen Erfolg zu stellen.

Hier gilt es, bewusst Musterbrüche herbeizuführen und alte Zöpfe abzuschneiden. Das kann unter Umständen zu Paradoxen führen, denn der Alltag vieler Entscheider in KMU ist dadurch geprägt, Produkte und Prozesse zu optimieren und Kosten zu senken. Damit bringen sie jedoch keine Innovation auf den Weg. An dieser Stelle muss radikal neu gedacht und in Folge dessen auch mit bestehenden Regeln gebrochen werden. 

Natürlich darf die Experimentierfreude nicht dazu führen, dass die Kosten durch die Decke gehen. Doch um Innovationen zu schaffen, müssen neue Wege beschritten werden, die sich unter Umständen auch mal als eine Sackgasse erweisen können. Für eine Null-Fehler-Toleranz ist hier kein Platz mehr. Was Unternehmen stattdessen brauchen, ist eine mutige Fehlerkultur, die Scheitern als Lernerfahrung begrüsst.

Mehr Zeit für Führung

Veränderungskompetenz ist heute nötiger denn je, doch zwei von fünf Managern blockieren Veränderungsprojekte. Der Grund für den Boykott ist vor allem in der Arbeitszeitaufteilung zu suchen: 55 Wochenarbeitsstunden sind für Manager keine Seltenheit. Doch wie viel Prozent davon werden wirklich sinnvoll investiert? Die Forsa-Studienergebnisse belegen, dass weniger als 15 Prozent in das strategische Management fliessen. Statt sich damit zu beschäftigen, wie das Unternehmen weiterentwickelt werden kann, fliesst ein Grossteil der Zeit in operative Aufgaben. Und das meint nichts anderes als das Tagesgeschäft. 

Ein weiteres Viertel der Arbeitszeit entfällt auf Fach- und Sachaufgaben. Mit anderen Worten: Führungskräfte, gerade im mittleren Management, sind teuer bezahlte und überqualifizierte Facharbeiter. Gerade KMU stehen auch vor der Herausforderung, dass die mitarbeitende Führungskraft immer noch als Idealbild angesehen wird. Natürlich ist es nicht verkehrt, wenn der Chef im Tagesgeschäft auch mal mit anpackt, wenn Not am Mann ist. Das sollte jedoch nicht zur Gewohnheit werden. Anderenfalls geraten zentrale Führungsaufgaben leicht in Vergessenheit, die für die Zukunft des Betriebs mindestens genauso wichtig, wenn nicht sogar wichtiger sind. 

Wissensmonopole gehören der Vergangenheit an, es kann nicht mehr sein, dass die Führungskraft der bessere Fach­ex-perte und Problemlöser ist als seine Mitarbeiter. Datenbanken und Vernetzung erlauben es schliesslich, Wissen jederzeit digital abzurufen und Wissenslücken
innerhalb kürzester Zeit zu schliessen. Das gilt ebenso für Führungskräfte, die qua Autorität Aufgaben an sich reissen, obwohl qualifizierte Mitarbeiter sie genauso gut erledigen könnten.

Hier ist ein sofortiges Umdenken nötig, gepaart mit einer Fokussierung auf andere Aktivitäten, wie die Personalführung. Denn hier ist ebenfalls Not am Mann: Aus der Forsa-Umfrage lässt sich ableiten, dass ein Mittelmanager gerade einmal eine Stunde pro Woche (auf 40 Stunden gerechnet) mit der individuellen Führung seiner Mitarbeiter verbringt. Und zwar aller Mitarbeiter, nicht jedes einzelnen. Ein Manager der mittleren Ebene führt im Schnitt vielleicht zehn Menschen, es bleiben also lediglich sechs Minuten pro Person. Mehr als ein bisschen Small Talk ist da nicht drin, geschweige denn Raum für persönliche Entwicklung.


Fehlende Kompetenzen

Doch es sind nicht nur Zeitknappheit und das schier übermächtige Tagesgeschäft, die Veränderungen behindern. In der Beratungspraxis fällt immer wieder auf, dass es nicht nur um den Willen zur Veränderung geht, sondern sehr häufig auch um das Können. Zu wenig Führungszeit sowie mangelnde Einbindung in Strategie- und Entscheidungsprozesse führen dazu, dass Führungskräfte weder die nötige Achtsamkeit noch die Kompetenzen haben, um Veränderungen frühzeitig anzustossen und den Umgang mit der nötigen Ambidextrie – der Gleichzeitigkeit von Alltags- und Projektgeschäft – effektiv zu managen. Hier herrscht dringender Nachholbedarf. 

In Zeiten, in denen Unternehmen schnell auf neue Anforderungen reagieren und sich anpassen müssen, braucht es Führungskräfte, die ihren Bereich entsprechend ständig neu ausrichten und gestalten können und gleichzeitig das Tagesgeschäft im Auge behalten. Zwar sind die Gestaltungs- und Entscheidungskompetenzen durchaus gegeben, ebenso wie das nötige Budget, doch nur rund die Hälfte der Mittelmanager nutzen es bisher, um eigeninitiativ Weiterentwicklungen auf den Weg zu bringen, so eine weitere Erkenntnis aus der Forsa-Studie.

Hebel für neue Kompetenzen 

Um Veränderungskompetenz im Unternehmen einzuführen und nachhaltig zu verankern, müssen vier verschiedene Hebel umgelegt werden.

Kultur

Innovation sollte durch das Agieren auf Augenhöhe ermöglicht werden, indem Expertise und Kompetenz höher gewichtet werden als der Status in der Hierarchie. Handlungsorientierung muss zentrales Leitmerkmal der Kultur sein und nicht in angstgetriebenen Abstimmungsschleifen erstickt werden.

Organisation

Durch flexible Rollen sollte eine Dynamisierung der Hierarchie angestrebt werden. Sichtbar wird dies, wenn sich der Tätigkeitsbereich der Mitarbeiter nicht nur auf die klassische Stellenbeschreibung beschränkt, sondern sie auch unternehmensweite Rollen, etwa im Rahmen von KVP (kontinuierlicher Verbesserungsprozess), Veränderungsprojekten oder Digitalisierungsinitiativen, übernehmen und dafür anerkannt werden.

Führung

Es gilt den Begriff der Autorität neu zu definieren und sie als Fähigkeit zu verstehen, den eigenen Mitarbeitern Impulse zu geben. Die Führungskraft versteht sich dabei als Unterstützer der Leistungsprozesse ihrer Mitarbeiter, indem sie hinter, nicht über ihnen steht.

Management

Veränderungskompetenz bedeutet hier, kontinuierlich und systematisch zu hinterfragen, was gerade wichtig und mit Priorität zu behandeln ist. Das gilt ins­besondere hinsichtlich des Ressourcen­managements, wo sich der Fokus verschiebt von dem, was generell möglich, zu dem, was tatsächlich gerade sinnvoll und vom Mitarbeiter sowie der Organisation auch leistbar ist.

All diese Massnahmen wirken sich unmittelbar auf das Engagement von Führungskräften und Mitarbeitern aus – und ermöglichen damit nicht nur ein früheres Erkennen von Change-Notwendigkeit. Sie befördern ausserdem massgeblich die grundsätzliche und so dringend benötigte Veränderungsfähigkeit.