Strategie & Management

Aus- und Weiterbildung III

Den juristischen Rahmen sorgfältig gestalten

Kurse, Seminare und Workshops für Berufstätige boomen. Bilden sich Mitarbeitende weiter, kommen unweigerlich auch arbeitsrechtliche Fragen auf. In der Praxis zeigen sich dabei zwei grosse juristische Dauerbrenner: die Weiterbildungskosten und das Thema Weiterbildung und Arbeitszeit.
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Von einer Weiterbildung profitiert meist sowohl der Absolvent als auch seine Arbeitgeberin. Daher stellt sich die Frage, wer welchen Anteil der Kosten tragen soll. Im Falle einer vollständigen oder ­teilweisen Finanzierung durch die Ar­beitgeberin möchte diese zudem regelmässig ­sicherstellen, dass sich ihre Investition ins Humankapital auch lohnt, und setzt eine Weiterbildungsvereinbarung mit Rückzahlungsklausel auf, die etwa bei Abbruch oder Nichtbestehen der Fort­bildung sowie bei Kündigung kurz nach deren Abschluss greifen soll. Hier fragt sich aus rechtlicher Sicht, wann Mitar­beitende zu einer Rückerstattung verpflichtet werden können und wann dies unzulässig ist.

Kostenregelungen

Das schweizerische Arbeitsrecht enthält keine ausdrücklichen Regeln zum Thema Weiterbildungskosten. Jedoch hat sich über die Jahre eine relativ gefestigte ­Praxis entwickelt. Diese unter­scheidet zwischen rein betriebsbedingten und ­ausserbetrieblichen Weiterbildungen.

Betriebsbedingte Weiter­bildungen von der Arbeitgeberin zu zahlen

Bildungsmassnahmen, die dem Mitarbeiter keinen eigentlichen Vorteil auf dem Arbeitsmarkt bieten, sondern einzig auf Anordnung der Arbeitgeberin erfolgen, sind von dieser zu finanzieren. Diese ­Kosten gehören zu den notwen­digen ­Aus­lagen der Tätigkeit, welche ­gemäss Art. 327a des Schweizerischen Obligationenrechts (OR) die Arbeitgeberin trägt. Bei solchen Weiterbildungen ist folglich auch eine Rückzahlungsver­einbarung ausgeschlossen (vergleiche etwa Urteil des Kantonsgerichts GR, JAR 2013, 487 E. 3b.).

Differenzierte Regeln für ausserbetriebliche Weiterbildungen

Anders verhält es sich bei ausserbetrieblichen Fortbildungen, die zwar für die ­Arbeitgeberin von Nutzen sein mögen, aber für die Tätigkeit nicht unbedingt notwendig sind. Die Kosten hierfür hat grundsätzlich der Arbeitnehmer selbst zu tragen; eine allfällige Kostenübernahme oder -beteiligung seitens der Arbeitge­berin erfolgt freiwillig. Entsprechend sind hier prinzipiell auch Rückzahlungsvereinbarungen zulässig. Allerdings sind ­dabei gewisse Grundsätze und Schranken einzuhalten (vergleiche zum Ganzen etwa Lerch André, Arbeitsrechtliche Rückzahlungsvorbehalte für Aus- und Weiterbildungskosten, Anwaltsrevue 2012, S. 24 ff.).

Rückzahlungsvereinbarungen: Grundsätze und Schranken

Beteiligt sich eine Arbeitgeberin freiwillig an Weiterbildungskosten, tut sie dies in der Regel in der Erwartung, dass der betreffende Mitarbeiter seine neu er­worbenen Kompetenzen im Betrieb einbringt. Verlässt er das Unternehmen bereits während oder kurz nach der Wei­terbildung, profitiert die Arbeitgeberin kaum. Daher wird in Weiterbildungs­vereinbarungen häufig eine Rückerstattungspflicht für den Fall vereinbart, dass das Arbeitsverhältnis während oder innerhalb einer gewissen Zeit nach Abschluss der Weiterbildung endet.

Eine solche Rückerstattungsklausel greift in einigen, aber nicht in allen Konstel­lationen der Vertragsauflösung. Mangels spezifischer gesetzlicher Regeln zieht die Rechtspraxis in diesem Kontext die Bestimmungen zum arbeitsrechtlichen Konkurrenzverbot heran (insbesondere wird Art. 340c Abs. 2 OR analog angewendet; vgl. etwa Urteil des Bundes­gerichts 4D_13/2011 vom 14.04.2011, E. 2.3.). Demgemäss kann sich eine Arbeitgeberin nur bei einer mitarbeiterseitig zu vertretenden Vertragsbeendigung auf eine Rückzahlungsvereinbarung berufen, das heisst, wenn der Mitarbeiter von sich aus kündigt, ohne dass die Arbeit­geberin hierzu begründeten Anlass gegeben hätte, oder wenn die Arbeitgeberin ihn aus einem von ihm zu vertretenden Grund entlässt. 

Wenn indessen die Arbeitgeberin den Vertrag ohne arbeitnehmerseitig gesetzten Anlass, beispielsweise aus wirtschaftlichen Gründen, beendet, entfällt eine vertraglich vereinbarte Rückzahlungsverpflichtung. Dasselbe gilt, wenn der Mitarbeiter aus einem der Arbeitgeberin zuzuschreibenden Grund kündigt. Doch selbst bei mitarbeiterseitig zu vertretenden Kündigungen sind Rückzahlungsvereinbarungen nicht unbeschränkt zulässig (vergleiche zum Ganzen etwa Urteil des Arbeitsgerichts ZH, JAR 1999, 327.). Massstab und Schranke bildet die Kündigungsfreiheit des Arbeitnehmers. Diese darf durch die finanziellen Kon­sequenzen einer Weiterbildungsverein­barung nicht übermässig eingeschränkt werden. Deshalb müssen Rückerstattungsverpflichtungen angemessen begrenzt sein. 

Das bedeutet erstens, dass stets eine zeitliche Beschränkung (von im Allgemeinen nicht über drei Jahren) vorzusehen ist. Zweitens wird gefordert, dass sich der ­zurückzuzahlende Betrag über die Bindungsdauer hinweg reduziert. Mit ­einer solch degressiven Ausgestaltung wird der Tatsache Rechnung getragen, dass die Arbeitgeberin mit zunehmender Verbleibdauer des weitergebildeten Mitarbeiters auch bereits zunehmend am Weiter­bildungserfolg partizipieren konnte (vgl. Portmann Wolfgang/Rudolph Roger, Basler Kommentar OR I, 2020 [7. Auflage], Kommentierung zu Art. 327a OR, N. 3 f.).

Bisweilen sehen Weiterbildungsverein­barungen nicht nur eine Rückzahlungspflicht bei Kündigung, sondern auch für den Fall vor, dass der Arbeitnehmende die Weiterbildung vorzeitig abbricht oder nicht besteht. Solche Regelungen sind grundsätzlich zulässig, es sei denn, die Arbeitgeberin habe den Abbruch oder Misserfolg des Arbeitnehmers zu vertreten, etwa weil sie eine sorgfältige Vorbereitung verunmöglichte (vgl. etwa Emmel Frank, Handkommentar zum Schweizer Privatrecht, 2016 [3. Auflage], Kommentierung zu Art. 327–327c OR, N. 2).

Die Weiterbildungszeit 

Anders als bei den Weiterbildungskosten bestehen hinsichtlich der Zeit, die der Mitarbeiter für eine Weiterbildung aufwendet, gesetzliche Regeln: Sowohl das Arbeitsvertragsrecht (Art. 319 ff. OR) als auch das Arbeitsgesetz (ArG) enthalten Bestimmungen betreffend Arbeitszeit, die im Kontext der Frage relevant sind, wann Weiterbildungszeit Arbeitszeit ist und welche Konsequenzen daraus re­sultieren. 

Ähnlich wie bei den Weiterbildungskosten erfolgt eine Differenzierung zwischen vorgeschriebenen oder angeordneten Weiterbildungen auf der einen Seite und eigeninitiativ besuchten Weiterbildungen auf der anderen Seite. 

Angeordnete Weiterbildung als Arbeits-, eigeninitiative Weiterbildung als Freizeit

Art. 13 Abs. 4 der Verordnung 1 zum ArG sieht vor, dass eine Weiterbildung dann als Arbeitszeit gilt, wenn sie auf Anordnung der Arbeitgeberin besucht wird oder gesetzlich vorgeschrieben ist wie etwa der Pflichtunterricht von Lehrlingen (vgl. zum Ganzen die Erläuterungen des SECO in der Wegleitung zum Arbeitsgesetz [abrufbar unter www.seco.admin.ch]). Im Umkehrschluss ergibt sich aus dieser Bestimmung, dass Weiterbildungen, die Mitarbeitende aus eigener Initiative besuchen und die weder vom Gesetz noch arbeitgeberseitig angeordnet sind, nicht als Arbeitszeit gelten. Dass die Arbeitgeberin auch hier regelmäs­sig einen Nutzen hat, ändert nichts daran, dass die investierte Zeit als Freizeit zu qualifizieren ist.

Folgen der Qualifikation als ­Arbeitszeit: Lohn, Überstunden und Co.

Dass die Zeit für eine angeordnete Weiterbildung Arbeitszeit ist, bedeutet, dass sie immer zu entschädigen ist, da der Arbeitsvertrag nach Schweizer Konzeption zwingend entgeltlich ist (Art. 319 OR).

Haben die Parteien nichts Abweichendes abgemacht, entspricht der Lohn demjenigen Lohn, der auch für die sonstige Arbeit geschuldet ist. Zudem können aus der Weiterbildungszeit Überstunden resultieren, die mangels abweichender Abrede mit einem Zuschlag zu entlöhnen sind (Art. 321c OR). 

In der Praxis wird allerdings häufig vereinbart, dass die Weiterbildungszeit im übrigen Lohn inbegriffen ist. Dies ist prinzipiell zulässig, denn ­Arbeitnehmer und Arbeitgeberin dürfen den Lohn im Ein­vernehmen frei bestimmen (vgl. etwa ­Rudolph Roger/von Kaenel Adrian, Fokus Arbeitsrecht: Aktuelle Fragen zur ­Ar­beitszeit, TREX 2014, S. 167.).

Bei Weiterbildungszeit, die Arbeitszeit ist, sind überdies Art. 9 ff. ArG zu be­achten. Diese Bestimmungen betreffen Maximalarbeitszeiten, wöchentliche Arbeitszeit und deren Verteilung, Nacht- und Sonntagsarbeit. Im Gegensatz zur arbeits­vertragsrechtlichen Überstunden­arbeit nach OR (das heisst der Überschreitung der arbeitsvertraglich ver­einbarten Arbeitszeit), für die der Lohn­zuschlag wie erwähnt vertraglich wegbedungen werden kann, ist Überzeitarbeit (das heisst die Überschreitung der Maximalarbeitszeit nach ArG) zwingend mit Freizeit der gleichen Dauer oder durch Lohn mit Zuschlag zu entschädigen (Art. 13 ArG).

Rückzahlungsvereinbarung für bezahlten Lohn?

Wenn Weiterbildungen auf Arbeitszeit absolviert werden, fragt sich, ob im Rahmen einer Rückzahlungsvereinbarung neben den allenfalls arbeitgeberseitig ­bezahlten Weiterbildungskosten auch der ausbezahlte Lohn zurückverlangt werden darf. Hier sind die vorgängigen Ausführungen zu Weiterbildungskosten und -zeit zu kombinieren.

Bei einer obligatorischen Weiterbildung, die auf Anordnung besucht wird, sind die Kurskosten grundsätzlich von der Arbeitgeberin zu bezahlen und eine Rückzahlungsvereinbarung dafür ist unzulässig. Dasselbe muss auch für den Lohn während der Weiterbildungszeit gelten, die als Arbeitszeit qualifiziert.

Bei einer auf eigenen Wunsch besuchten Weiterbildung, die dem Arbeitnehmer auch ausserhalb des Betriebs von Nutzen ist, ist eine Rückzahlungsvereinbarung für einen freiwilligen Arbeitgeberbeitrag innerhalb des vorgängig beschriebenen Rahmens erlaubt. Dieser Rahmen gilt ­gemäss der hier vertretenen Auffassung auch bezüglich der Zeitkomponente: Wenn sich eine Arbeitgeberin (zusätzlich oder anstatt einer Kostenbeteiligung) einverstanden erklärt, dass ein Arbeitnehmer die Weiterbildung auf Arbeitszeit absolviert, kann sie sich eine Rückforderung des betreffenden Lohns für dieselben Fälle vorbehalten, in denen auch eine Rückforderung der bezahlten Kurskosten möglich wäre, namentlich wenn der Arbeitnehmer die Weiterbildung selbst ­verschuldet abbricht oder nicht besteht oder den Betrieb währenddessen oder kurz ­danach aus Gründen verlässt, die ihm selbst zuzuschreiben sind.

Klare und faire Gestaltung 

Auch wenn die Rechtslage auf den ersten Blick relativ klar scheint, können in der Praxis Unklarheiten entstehen. So ist etwa die Abgrenzung von rein betriebsbedingten beziehungsweise angeordneten Weiterbildungen und ausserbetrieblichen be­ziehungsweise eigeninitiativ besuchten Weiterbildungen regelmässig nicht ganz trennscharf. Um Konflikte zu vermeiden, ist daher eine umfassende, präzise und faire Regelung aller rele­vanten Punkte anzustreben. Die Grundlage dafür bildet eine frühzeitige und ­offene Diskussion zwischen Arbeitnehmer und Arbeitge­berin. Damit wird ein gemeinsames Verständnis darüber geschaffen, wer welchen Nutzen aus der Bildungsmassnahme zieht. 

Auf der Basis dieser transparenten Interessenlage kann in einem zweiten Schritt eine angemessene Regelung der finanziellen sowie der zeitlichen und organisa­torischen Aspekte erzielt werden. Diese ist schliesslich in einer klaren schriftlichen Weiterbildungsvereinbarung abzubilden. Um Streitigkeiten wirksam vorzubeugen, sollte dabei ein besonderes Augenmerk auf allfällige Rückzahlungsklauseln gerichtet werden, die es sinnvoll zu beschränken und abzustufen gilt.

Nicht nur für grosse Unternehmen empfiehlt es sich, basierend auf den beschriebenen rechtlichen Vorgaben für ihren ­Betrieb passende allgemeine Grundsätze auszuarbeiten und reglementarisch festzuhalten. Dies erleichtert die Planung ­sowie die klare und faire Handhabung für Führungspersonen und Mitarbeitende.

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