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Compliance im Fokus – Relevanz des Lieferkettengesetzes

Das Thema Nachhaltigkeit und ESG ist in aller Munde. Unternehmen müssen dabei nicht nur die Bedürfnisse der Kunden und der Mitarbeitenden berücksichtigen, sondern auch die rechtlichen und regulatorischen Anforderungen. Welche Relevanz dies für Schweizer KMU haben kann, wird am Beispiel des neuen (deutschen) Lieferkettengesetzes dargelegt.
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In der heutigen, globalisierten und vernetzten Welt spielen die Themen Nachhaltigkeit und soziale Verantwortung ­zunehmend eine wichtige Rolle. Zahlreiche Stakeholder wie der Staat, die Konsumenten oder auch Kapitalgebende verlangen von den Unternehmen eine nachhaltige Geschäftstätigkeit. Dieser Trend lässt sich in vielen Ländern an der Zunahme der gesetzlichen Regelungen erkennen. Ein Beispiel dafür ist das deutsche Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG), das seit Januar 2023 in Kraft getreten ist. Obwohl es sich dabei um ein deutsches Gesetz handelt, hat es auch Auswirkungen auf ausländische Unternehmen, einschliesslich Schweizer KMU.

Das LkSG im Überblick

Das LkSG (auch Lieferkettengesetz genannt) wurde Mitte 2021 vom Deutschen Bundestag verabschiedet und ist am 1. Januar 2023 in Kraft getreten. Es stärkt die Menschenrechte und den Umweltschutz in den globalen Lieferketten und schafft Rechtssicherheit. In Deutschland ansässige Unternehmen mit mehr als 3000 Mitarbeitenden werden durch das LkSG ­verpflichtet, Massnahmen gegen die Verletzung von Menschenrechten und die Schädigung der Umwelt in ihren inter­nationalen Lieferketten zu ergreifen. Zu den gesetzlichen Sorgfaltspflichten von Unternehmen zählen beispielsweise:

  • die Einrichtung eines Risikomanagements,
  • das Durchführen regelmässiger ­Risikoanalysen,
  • die Bestimmung von präventiven ­Massnahmen,
  • das Ergreifen von ­Abhilfemassnahmen,
  • die Einrichtung von ­Beschwerdeverfahren sowie
  • die Dokumentation und die Berichterstattung.

Das Lieferkettengesetz gilt auch für ausländische Unternehmen mit einer Zweigniederlassung in Deutschland, die eine vergleichbare Anzahl an Mitarbeitenden beschäftigen. Am 1. Januar 2024 wird der Schwellenwert auf 1000 Mitarbeitende reduziert. Das LkSG stellt einen Paradigmenwechsel in der deutschen Gesetz­gebung dar, zumal es von Unternehmen verlangt, proaktive Massnahmen zu ergreifen, um die Menschenrechte und die Umwelt zu schützen. Bei Verstössen gegen diese Sorgfaltspflichten drohen den Unternehmen massive Geldbussen. Die bisherige Praxis der Selbstregulierung musste somit einer gesetzlichen Regu­lierung weichen.

Relevanz für Schweizer KMU

Für Schweizer KMU, die den im LkSG ­definierten Schwellenwert nicht überschreiten, scheint das Lieferkettengesetz auf den ersten Blick keine Relevanz zu haben. Diese Sichtweise ist jedoch verkürzt, zumal Schweizer KMU, die mit ­einem in Deutschland ansässigen Un­ternehmen Geschäftsbeziehungen pflegen, indirekt vom LkSG tangiert werden. Deutsche Unternehmen könnten von ­ihren Schweizer Geschäftspartnern verlangen, ähnliche Sorgfaltspflichten in ­ihren Lieferketten einzuhalten, um die eigene Compliance mit dem LkSG sicherzustellen.

Zudem sind auch in der Schweiz poli­tische und rechtliche Bestrebungen, die in die gleiche Richtung zielen, fest­zustellen. Im November 2020 lehnte das Schweizer Stimmvolk beispielsweise die Konzernverantwortungsinitiative ab, die grosse Schweizer Unternehmen dazu ­verpflichtet hätte, Menschenrechte und ­Umweltstandards bei ihrer globalen Geschäftstätigkeit zu respektieren. Obwohl die Initiative abgelehnt wurde, könnte diese Thematik in Zukunft wieder auf der politischen Agenda erscheinen. 

Weitere Nachhaltigkeitsanforderungen für Schweizer KMU resultieren aus dem Klima- und Innovationsgesetz (KIG), welches von der Schweizer Stimmbevölkerung im Juni 2023 angenommen wurde. Insbesondere in Art. 5 KIG (Fahrpläne für Unternehmen und Branchen) werden alle Unternehmen angehalten, bis spätestens im Jahr 2050 Netto-Null-Emissionen auszuweisen. Dabei sind mindestens die direkten und indirekten Emissionen von Treibhausgasen zu berücksichtigen. Das KIG tritt gemeinsam mit der dazugehö­rigen Verordnung per 1. Januar 2025 in Kraft.

Vorteile 

Vom neuen Lieferkettengesetz profitieren nicht nur die Menschen in den globalen Lieferketten, die Umwelt und die Konsumenten, sondern auch die Unternehmen. Für Schweizer KMU resultieren beispielsweise folgende Vorteile:

  • Ansprache neuer Kundengruppen: Unternehmen können ihre Marktpräsenz auf neue Kundengruppen ausdehnen, indem sie ihre Verpflichtung für soziale Gerechtigkeit und Umweltschutz in ihren Lieferketten transparent offenlegen. Besonders im B2B-­Bereich kann dies ein ausschlagge­bendes Kriterium für die Auswahl von Lieferanten sein, zumal sich immer mehr Unternehmen diese Werte auf die Fahne schreiben.
  • Risikoreduktion und Kosteneinsparungen: Unternehmen, die das LkSG umsetzen, können Reputationsrisiken und finanzielle Risiken, die mit Menschenrechtsverletzungen und Umweltschäden in ihren Lieferketten verbunden sind, minimieren.
  • Wettbewerbsvorteil: Unternehmen, welche die LkSG-Standards erfüllen, können sich positiv von ihren Mitbewerbern abgrenzen. Zudem sind nachhaltige Unternehmen auch besser für die künftigen rechtlichen Verschärfungen im Bereich Nachhaltigkeit gewappnet.

Herausforderungen

Neben den Vorteilen bei der Umsetzung des LkSG werden die Schweizer KMU auch mit folgenden Herausforderungen konfrontiert:

  • Komplexität: Das LkSG ist ein umfangreiches Gesetz mit vielen spezifischen Anforderungen. Dies erschwert die Umsetzung, insbesondere für kleinere Unternehmen.
  • Kosten: Die Umsetzung der Anforderungen des LkSG kann zu erheblichen Kosten führen. Dazu zählen beispielsweise die Kosten für die Einrichtung eines Risikomanagements, die Schulung von Mitarbeitenden sowie die Durchführung von Audits.
  • Ressourcen: Um die Anforderungen des LkSG erfüllen zu können, braucht es Zeit, Personal und Fachwissen. Für viele KMU, die bereits mit begrenzten Ressourcen kämpfen, kann dies eine zusätzliche Belastung darstellen.
  • Dokumentation: Unternehmen müssen alle ihre Massnahmen zur Einhaltung des LkSG dokumentieren. Dies kann zu einem erheblichen adminis­trativen Aufwand führen.
  • Haftung: Bei Verstössen gegen das LkSG können hohe Bussgelder verhängt werden. Dies würde zudem mit einem Reputationsrisiko einhergehen.

Bezug zur Nachhaltigkeit

Die zunehmende Relevanz des Themas Nachhaltigkeit hat unter den Investoren sowie weiteren Stakeholdern das Be­dürfnis nach einer Messbarkeit der Nachhaltigkeitsleistung von Unternehmen geweckt. Es existieren zahlreiche ESG-Kriterien, die als Messgrössen fungieren. Dabei handelt es sich um vielfältige Kriterien rund um die Themen Umwelt (Environment, E), soziale Verantwortung (Social, S) und gute Unternehmensführung (Governance, G). Derzeit gibt es ­jedoch noch keine Standards, die fest­legen, welche Kriterien mit welcher Gewichtung bei der Bewertung der Nach­haltigkeitsleistung eines Unternehmens zu berücksichtigen sind.

Das oben erwähnte Lieferkettengesetz kann als ein Instrument zur Umsetzung der ESG-Kriterien in Unternehmen verstanden werden. Es fordert Unternehmen auf, ihre (globalen) Lieferketten zu analysieren und potenzielle Risiken im Hinblick auf Menschenrechte und Umwelt zu identifizieren. Im nächsten Schritt sind die Unternehmen angehalten, proaktive Massnahmen zu ergreifen, um diese Ri­siken zu minimieren. Dies kann beispielsweise durch die Einführung von Sozial- und Umweltstandards für Lieferanten, die regelmässige Überwachung der Lieferanten sowie die Schulung von Mit­arbeitenden über Menschenrechte und Umweltschutz erfolgen.

Insofern kann das LkSG als eine Möglichkeit betrachtet werden, die ESG-Kriterien in die Praxis umzusetzen. Unternehmen, die das Lieferkettengesetz befolgen, können damit ihre Nachhaltigkeitsleistung verbessern und ihre Attraktivität für Kapitalgebende, Kundschaft und Mitarbeitende erhöhen. Ferner können sie sich optimal auf eine mögliche Schweizer Gesetzgebung vorbereiten, die mit ähnlichen Anforderungen aufwarten könnte.

Fazit

Obwohl das deutsche Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz grundsätzlich für in Deutschland ansässige grosse Unternehmen gilt, darf seine geografische Reichweite nicht unterschätzt werden. Es tangiert nicht nur die betreffenden Unternehmen, sondern auch deren Lieferanten und Geschäftspartner, einschliesslich Schweizer KMU.

Aus diesem Grund ist es für Schweizer KMU wichtig, sich mit diesem Gesetz auseinanderzusetzen und allenfalls Massnahmen zur Einhaltung der darin fest­gelegten Anforderungen zu ergreifen. Dies bietet nicht nur die Möglichkeit, Geschäftsbeziehungen mit in Deutschland ansässigen Unternehmen aufzunehmen und zu vertiefen, sondern auch ein er­weitertes ESG-Risikomanagement zu eta­blieren, neue Kundengruppen anzusprechen und sich auf mögliche rechtliche Verschärfungen im Bereich Nachhaltigkeit vorzubereiten.

Letztlich ist das LkSG ein Ausdruck eines globalen Trends hin zu mehr Nachhaltigkeit und sozialer Verantwortung in der Wirtschaft und Gesellschaft. Schweizer KMU, die sich rechtzeitig mit diesem Megatrend auseinandersetzen, legen den Grundstein für ihren zukünftigen Erfolg und den Fortbestand des Unternehmens. Die Initiative «Boards4ESG» unterstützt Verwaltungsratsmitglieder von Schweizer KMU mit gezielten Halbtagesseminaren an mehreren Standorten der Schweiz, um die ESG-Risiken zu identifizieren und zu managen sowie die Compliance mit recht­lichen Nachhaltigkeitsanforderungen sicherzustellen (siehe Box «Weiterbildung – ESG für Verwaltungsratsmitglieder»).

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