Recht

Erbrecht I

Wenn die Familie um ihr Erbe fürchtet ...

Der Schriftsteller Gerhart Hauptmann beschrieb in seinem Drama «Vor Sonnenuntergang» bereits vor mehr als 80 Jahren am Beispiel des Unternehmers Matthias Clausen, wie die Irrungen und Wirrungen der Liebe zu Neid und Streit bis hin zur Entmündigung führen können. Was das mit der aktuellen Rechtslage in der Schweiz zu tun hat, zeigt dieser Beitrag.
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Gerhart Hauptmann (1862 bis 1946) schrieb das Drama «Vor Sonnenuntergang» im Alter von ungefähr 70 Jahren von 1928 bis 1931. Uraufgeführt wurde es 1932. In «Vor Sonnenuntergang» geht es um die Liebe des 70-jährigen Unternehmers Geheimrat Matthias Clausen zu der 19-jährigen Kindergärtnerin Inken Peters. Es handelt sich von beiden Seiten um eine ehrliche und tiefe Zuneigung. Natürlich gibt es auch in der Realität innigste Beziehungen zwischen Personen, die verschiedenen Generationen angehören. Nicht immer sind jüngere Partnerinnen oder Partner Erbschleicher.

Das Stück beginnt mit der Feier des 70. Geburtstags von Matthias Clausen. Die erwachsenen Kinder – Ottilie, Bettina, Wolfgang und Egmont – freuen sich, dass er nach der längeren Trauerphase um seine erste Frau nicht weggereist ist. Anwesend bei der Feier ist auch Inken Peters, die sich in der glänzenden Gesellschaft keineswegs wohlfühlt und von einigen Familienmitgliedern argwöhnisch beäugt wird. Der zweite Akt spielt im Kindergarten von Inken Peters oder genauer ihrer Mutter. Die Familie hat eine tragische Vorgeschichte. Inkens Vater wurde unschuldig wegen eines Ver­sicherungsbetrugs angeklagt und beging Selbstmord im Gefängnis. Ein Justizrat bietet Frau Peters ein Vermögen für den Fall, dass sie mit Inken die Stadt verlassen würde. Das Vermögen wird von Matthias Clausens Familie zur Verfügung gestellt. Frau Peters lehnt ab. Als Inken später erscheint, erzählt sie von einer anonymen Postkarte, mit der sie über den Selbstmord ihres Vaters aufgeklärt wird. Sie hat immer so etwas geahnt. Die Postkarte hat, wie man später erfährt, Clausens Schwiegertochter geschrieben. Nachher kommt Geheimrat Clausen. Er und Inken gestehen sich ihre Liebe. Clausen schenkt Inken einen Ring seiner verstorbenen Frau.

Eskalation des Streites

Im dritten Akt lädt Clausen Inken zu einem Familienfrühstück ein. Die Familienmitglieder reagieren je nach Charakter misstrauisch oder empört. Nur Egmont, der jüngste Sohn, verteidigt Inken. Der älteste Sohn lässt das Gedeck abräumen, das für Inken bestimmt ist. Sein Vater, der mit Inken später erscheint, ist darüber empört. Inken verlässt schnell das Haus. Eher sollten alle anderen das Haus verlassen, als dass sie von der Schwelle gestos­sen wird, erklärt Matthias Clausen. Die Familie ist entsetzt.Später fordert Wolfgang, dass sein Vater die Familie beruhigen soll. Bettina redet von Liebe, man wolle den Vater nicht verlieren. Das ist von ihrer Seite her ehrlich. Ottiliens Mann, der im Betrieb als Direktor arbeitet, spricht von harten Zeiten im Geschäft, wobei man bedenken muss, dass die Handlung in der grossen Krise der 30er-Jahre spielt. Er ist der Einzige in der Runde, der sachlich argumentiert. Matthias Clausen ist weit davon entfernt, seiner Familie die Sorgen zu zerstreuen oder ihr eine objektive Erklärung zu geben. Im Gegenteil, was dann folgt, ist eine Flut von unhaltbaren Vorwürfen. Jeder Einwand wird zu Ungunsten desjenigen interpretiert, der ihn vorbringt. So überzeugt man natürlich keine Familie. Am Schluss wirft Clausen alle seine Familienmitglieder aus dem Haus.

Der vierte Akt des Dramas spielt wieder in Clausens Haus, einige Monate später. Während dieser Zeit haben sich aus Matthias Clausen mit Inken und seinen Angehörigen zwei Parteien gebildet, die sich mit allen Mitteln hinterrücks bekämpfen. Matthias und Inken hatten ein Haus am Zuger See erworben und eine Zeitlang dort glücklich gelebt. Jetzt sind sie zurückgekehrt. Matthias Clausen verhandelt wegen des Verkaufs der Firma mit einem Konsortium, offensichtlich ohne seine Kinder zu informieren. Im Gegenzug haben Clausens Kinder – alle ausser dem jüngsten Sohn – das Entmündigungsverfahren eingeleitet. Entmündigung war in früheren Zeiten ein äusserst erniedrigendes Vorgehen. Faktisch war man nach damaliger Rechtslage nach Einreichung des Gesuches schon entmündigt, «nicht mehr Partei in der Sache». Für eine erfolgreiche Persönlichkeit wie Matthias Clausen ist das begreiflicherweise unerträglich. Später erscheinen dann noch die Kinder und erklären, dass sie alles zurücknehmen und sich mit ihrem Vater versöhnen wollten. Aber das geht natürlich nicht mehr. Matthias Clausen wird zeitweise in eine Anstalt eingesperrt, aus der er zu Inkens Mutter entflieht. Im fünften Akt will Inken mit Hilfe von Freunden die Flucht in die Schweiz organisieren. Inzwischen ist Matthias krank und geistig verwirrt und hat völlig resigniert. Selbst Inken löst bei ihm keine positiven Gefühle mehr aus. Er lässt sich von einem Freund Wasser mit Gift verabreichen, ohne dass dieser das weiss. «Mich dürstet nach Untergang... », so erklärt er seinen Selbstmord.

Die Kinder von Matthias Clausen machen den Fehler, dass sie schon intrigieren, bevor zwischen ihrem Vater und Inken überhaupt eine Beziehung besteht, die ihre Ansprüche gefährden könnte. Die anonymen Postkarten von Clausens Schwiegertochter sind wirklich nicht die feine Art. Auch Clausens Kinder haben eine Menge Vorurteile gegen Inken und ihre Mutter und weigern sich, diese unbefangen kennenzulernen. Obwohl oder gerade weil Clausen und Inken sich ehrlich lieben, machen auch sie grobe Fehler. Clausen schenkt Inken Schmuckstücke seiner verstorbenen Frau und sie nimmt ihn an. Für viele Töchter ist der Schmuck der Mutter ein liebes Andenken. Ein neues Geschenk würde weniger Anlass zu Konflikten geben. Aus­serdem zeigt Clausen auch kräftige Symptome von sozialer Demenz – Fachaus­druck: «behavioral and psychological symptoms of dementia» – was seine Kinder natürlich durchschauen. Statt sich sachlich mit seinen Kindern auseinanderzusetzen, beschimpft er sie auf eine Art, die sie mit Recht nicht akzeptieren. Dann bricht er den Kontakt zu den Kindern ab, was ein grober Fehler ist. Inken nimmt Partei gegen Clausens Kinder, statt von ihm zu fordern, dass er die erbrechtliche Auseinandersetzung und die Unternehmens­nachfolge mit diesen zusammen regelt.

Heute ist es zum Glück nicht mehr möglich, erwachsene Personen zu entmündigen. In der Schweiz ist am 1. Januar 2013 ein neues Erwachsenenschutzrecht in Kraft getreten. Auch hilfsbedürftige Personen sollen über so viel Selbstbestimmung wie möglich verfügen. Eine handlungsfähige Person kann eine natürliche oder juristische Person beauftragen, im Fall ihrer Urteilsunfähigkeit die Personensorge oder die Vermögenssorge zu übernehmen oder sie im Rechtsverkehr zu vertreten (ZGB Art. 360). Die Aufgaben des Vertreters kann man genau festlegen. Es ist dringend zu empfehlen, eine zweite Vertrauensperson mit der Kontrolle zu beauftragen. Hingegen ist davon abzuraten, zwei Vertreter gleichberechtigt einzusetzen. Das kann zu Meinungsverschiedenheiten und Konflikten führen. Der Vorsorgeauftrag ist eigenhändig zu errichten oder öffentlich zu beurkunden. Das Zivilstandsamt trägt den Vorsorgeauftrag und den Hinterle- gungsort in eine zentrale Datenbank ein. Man kann einen Vorsorgeauftrag jederzeit widerrufen oder einen neuen Vorsorgeauftrag errichten. Tritt der Vorsorgefall ein, prüft die Behörde, ob die beauftragte Person für ihre Aufgaben geeignet ist. Wenn die auftraggebende Person wieder urteilsfähig ist, wird der Vorsorgeauftrag von Gesetzes wegen unwirksam (ZGB Art. 369). Sind die Interessen der auftraggebenden Person gefährdet oder nicht mehr gewahrt, können nahe stehende Personen dies der Erwachsenenschutzbehörde melden. Diese trifft dann die erforderlichen Massnahmen (ZGB Art. 368). Bei Interessenkollision verliert die beauftragte Person ihre Befugnisse von Gesetzes we- gen (ZGB Art. 365).

Wer als Ehepartner oder eingetragener Partner mit einer Person, die urteilsunfähig wird, einen gemeinsamen Haushalt führt oder ihr regelmässig und persönlich Beistand leistet, hat von Gesetzes wegen ein Vertretungsrecht, wenn weder ein Vorsorgeauftrag noch eine entsprechende Beistandschaft besteht (ZGB Art. 374). Dieses Vertretungsrecht umfasst die ordentliche Verwaltung des Einkommens und Vermögens und die Befugnis, die Post zu erledigen. Werden die Interessen des Betreuten nicht mehr gewahrt, können nahe stehende Personen beantragen, dass die Erwachsenenschutzbehörde dem Partner die Vertretungsbefugnisse teilweise oder ganz entzieht oder eine Beistandschaft errichtet (ZGB Art. 376). «

Wie soll man sich verhalten, wenn man als älterer Mensch mit Familie wieder heiratet bzw. wie vermeidet man als Ehepartner einen negativen Eindruck?

› Die Kinder sollten rechtzeitig von der Eheschliessung informiert werden.

› Auch wenn man als neuer Partner Widerstände spürt, sollte man die Argumente der Familie anhören.

› Vorwürfe an die Familie unterlässt man besser. Sachliche Gespräche, allenfalls mit einem neutralen Beteiligten, sind zu empfehlen.

› Heimlichkeiten verschärfen den Konflikt.

› Wenn der neue Partner Heimlichkeiten verlangt und auch sonst ohne sachliche Gründe und Beweise negativ über die Familie redet oder den Kontakt zu unterbinden versucht, heiratet man diese Person lieber nicht.

› Erbrechtliche Belange, allenfalls Geschäftsnachfolge sollte man vor der Eheschliessung regeln.

› Auf keinen Fall sollte ein neuer Partner Gegenstände als Geschenk annehmen, die der Familie schon vorher gehört haben und allenfalls Andenken sind.

› Wenn Angehörige und Freunde auf sachliche Art Bedenken äussern, sollte man nicht beleidigt sein, sondern die Argumente gegen die Ehe überprüfen.

Wie verhält man sich als erwachsene Söhne / Töchter, wenn ein Elternteil wieder heiraten will?

› Zunächst mal sollte man den neuen Partner kennenlernen und dabei versuchen, Vorurteile beiseite zu lassen.

› Heimliche Intrigen verschärfen die Konflikte.

› Mit dem wieder heiratenden Elternteil soll man sachlich reden und, wenn Aggressionen beiderseits bestehen, zu Gesprächen neutrale Personen hinzuziehen.

› Den Kontakt mit dem betreffenden Elternteil sollten die Kinder auf jeden Fall erhalten. Versucht der neue Partner, den Kontakt zu unterbinden, muss man sich von Anfang an energisch dagegen wehren.

› Als Kind kann man verlangen, dass über erbrechtliche Belange offen gesprochen und diese geregelt werden.

› Verschenkt der Vater oder die Mutter Familienandenken an den neuen Ehepartner, verlangt man diese am besten sofort zurück.

› Bei der Hochzeit sollte man anwesend sein. Wird man nicht eingeladen, bringen Vorwürfe an den Elternteil nichts. Man kann in vielen Fällen davon ausgehen, dass das unter dem Einfluss des neuen Ehepartners geschah.

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