Recht

Produktehaftpflicht

Neue Technologien – neue Fragestellungen

Spezielle juristische Regelungen für Autonomiksysteme und Roboter gibt es noch nicht. Zu beachten sind das Produktehaftpflicht- und das Produktesicherheitsgesetz und zwar auch beim Weiterverkauf. Deswegen sind klare Vereinbarungen über Gewährleistung bei Kauf- und Werkverträgen notwendig.
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In letzter Zeit gerieten Unfälle mit dem Fahrassistenten «Autopilot» in die Schlagzeiten. In den USA endete eine Fahrt tödlich. Bei einem Unfall in der Schweiz gab es zum Glück nur Sachschaden. Wie die NZZ meldete, betonte die Herstellerfirma Tesla, das Fahrassistenz-System «Autopilot» mache seine Fahrzeuge nicht zu einem selbstfahrenden Wagen und die Fahrer müssten stets den Verkehr im Blick behalten.

Allerdings gab es im Netz seit der Einführung des Systems im vergangenen Herbst immer wieder Videos zu sehen, auf denen sich die Fahrer mit anderen Dingen und nicht mit dem Fahren beschäftigten. Da fragt man sich, wozu man einen Autopiloten benötigt, wenn der Fahrer dann doch selber aufpassen muss. Und wer ist haftbar bei so einem Unfall? Diese Fragen sind noch lange nicht geklärt.

Für Autofahrer gilt die Grundregel im Strassenverkehrsgesetz (SVG Art. 26): Jedermann muss sich im Verkehr so verhalten, dass er andere in der ordnungsge­mässen Benützung der Strasse weder behindert noch gefährdet. SVG Art. 31 schreibt vor, dass der Fahrer das Fahrzeug ständig ausreichend beherrschen muss, so dass er seinen Vorsichtspflichten nachkommen kann. Das bedeutet also, dass man sich auf die neuen Systeme nicht hundertprozentig verlassen darf. Aufmerksamkeit im Verkehr wird trotzdem verlangt und wenn nötig rechtzeitiges manuelles Eingreifen.

Haftpflicht für Software?

Wenn der Unfall aber eindeutig von einem technischen Fehler im Fahrzeug ausgelöst wird, ist das Produktehaftpflichtgesetz (PrHG) zu beachten. Ein Produkt gilt als fehlerhaft, wenn es nicht die Sicherheit bietet, die man unter Berücksichtigung aller Umstände zu erwarten berechtigt ist. Die Haftung besteht bei Personenschäden oder Schäden an einem privat genutzten Gegenstand.

Weiter ist das Produktesicherheitsgesetz (PrSG) zu berücksichtigen. Dieses Gesetz ist öffentliches Recht und gilt für verwendungsbereite Produkte, selbst wenn der Kunde diese erst noch zusammensetzen muss. Umgesetzt wird das Gesetz von den öffentlich beauftragten Aufsichtsorganen. Während der Lebensdauer des Produktes sind die Gefahren abzuwenden, die von dem Produkt bei normaler oder bei vernünftigerweise vorhersehbarer Verwendung ausgehen können. Dazu haben auch die Händler beizutragen.

Da ein wichtiger Teil aller automatischen Systeme die Software ist, stellt sich die Frage, ob das PrHG oder das PrSG auch für diese gilt. Die beiden Gesetze sind zwar relativ neu (PrHG 1994 und PrSG 2010). Trotzdem kommt der Ausdruck «Software» überhaupt nicht vor. Als Produkte gelten bewegliche Sachen, auch wenn sie einen Teil einer anderen beweglichen Sache oder einer unbeweglichen Sache bilden. Die Sicherheitsvorschriften sind also bei beiden Gesetzen auch auf die in einem Produkt eingearbeiteten Sachen anzuwenden. Computer gelten nicht als Roboter, weil sie sich nicht bewegen können. Umfassender ist der Begriff «Autonomik». Ein autonomes System muss nicht ein klassischer Roboter sein, auch Techniken wie fahrerlose Transportsysteme sowie autonome logistische Systeme fallen unter die Definition.

Nach Auskunft vom Seco muss man den konkreten Einzelfall prüfen. Ist die Software im Roboter integriert, so ist sie Bestandteil des Roboters. Nach einer in Deutschland vertretenen Rechtslehre gilt ein Computerprogramm, welches extra für einen Roboter entwickelt wird, als geistige Leistung und nicht als Produktbestandteil. Allerdings vertreten nicht alle Juristen diese Ansicht, andere betrachten auch ein individuell entwickeltes Programm als Produkt. Fazit für die Unternehmen: Die Sicherheit ist in jedem Fall zu gewährleisten.  Man muss die Automatiksysteme immer so unter Kontrolle halten, dass sie nicht die Sicherheit anderer gefährden und/oder einen materiellen Schaden anrichten.

Für Besitzer sowie Anwender von Auto­matikprodukten und Robotern gilt zumindest die grundlegende Haftungsbestimmung von OR Art. 41. Wer einem andern widerrechtlich Schaden zufügt, sei es mit Absicht, sei es aus Fahrlässigkeit, wird ihm zum Ersatz verpflichtet.

Achtung bei Weiterverkauf

Falls die Autonomik-Produkte nicht für den eigenen Gebrauch, sondern zum Weiterverkauf bestimmt sind, ist Folgendes sehr wichtig: Als Hersteller eines Produktes gelten laut PrHG und auch PrSG nicht nur Produzenten, sondern auch Firmen, die ihren Namen, ihr Warenzeichen oder ein anderes Erkennungszeichen auf dem Produkt anbringen oder einen ausländischen Hersteller vertreten. Nach PrHG ist sogar jede Person, die ein Produkt zum Zweck des Verkaufs, der Vermietung oder einer andern Form des Vertriebs im Rahmen ihrer geschäftlichen Tätigkeit einführt, haftbar.

Verpflichtungen der Hersteller

Hersteller, welche ein Produkt in Verkehr bringen, haben folgende Verpflichtungen (nach PrSG, Artikel 8): Sie müssen im Rahmen ihrer Geschäftstätigkeit angemessene Mass­nah­men treffen, dass während der angege­benen oder vernünftigerweise vorhersehbaren Gebrauchsdauer des Produkts allfällige Gefahren erkennbar sind, welche von diesem Produkt bei normaler oder bei einer vernünftigerweise vorhersehbaren Verwendung ausgehen. Die Hersteller müssen ihre Kunden dahingehend informieren, wie man diese Gefahr abwendet.

Die Herkunft des Produkts muss man zurückverfolgen können. Beanstandungen, welche sich auf die Sicherheit des Produkts beziehen, sind mit der gebotenen Sorgfalt zu prüfen und nötigenfalls sind Stichproben durchzuführen.

Gewährleistung regeln

Gerade weil die Rechtslage so unklar ist, ist es notwendig, bei Kauf- und Werkverträgen entsprechende Vereinbarungen über Gewährleistungen zu treffen. Besonders notwendig ist das, wenn es um industrielle Produkte zur Weiterverarbeitung oder für den Weiterverkauf geht. Häufig ist der Kaufvertrag für ein Automatikprodukt, zum Beispiel einen Roboter für die Produktion, eine Mischung zwischen Kauf- und Werkvertrag, weil häufig die Montage dazukommt. Als zugesicherte Eigenschaften des Produkts gelten jene, die im Vertrag und in den Service-Level-Agreements (SLA) festgelegt sind. Die Zusicherung gilt bis zum Ablauf der Gewährleistungsfrist.

Die Gewährleistung und ihre Frist kann frei vereinbart werden, nach OR Art. 210 (Kaufvertag) und Art. 370 (Werkvertrag) beträgt sie zwei Jahre. Bei komplexen Waren wie Automatikprodukten sollte man im Vertrag festlegen, wann sie beginnt, zum Beispiel «Die Gewährleistungsfrist beginnt, nachdem alle für den Betrieb notwendigen Installationen erledigt sowie die Software gemäss Vereinbarung entwickelt ist».

Sorgfältige Installation

Muss ein Automatikprodukt im Betrieb installiert werden, verpflichtet sich der Lieferant zur Sorgfalt und den notwendigen Sicherheitsvorkehrungen, die dem aktuellen technischen Stand entsprechen sowie zur sorgfältigen Wahl und Ausbildung  der eingesetzten Mitarbeitenden. Der Käufer hat die gelieferte bzw. montierte Ware innert einer angemessenen Frist zu prüfen. Unterlässt man dies, gelten die Lieferungen und Leistungen au­tomatisch als genehmigt. Mängel, auch jene, die erst später als solche erkennbar sind, hat der Kunde dem jeweiligen Unternehmen unverzüglich nach der Entdeckung zu melden. Nach der Lieferung und der Montage der Produkte ist es üblich, dass der Kunde ein Abnahmeprotokoll unterschreibt. Sind die zugesicherten Eigenschaften nicht oder nur teilweise erfüllt, kann der Kunde eine unverzügliche Nachbesserung durch den Lieferanten vereinbaren oder auch eine Preisminderung oder ein Rückgaberecht.

Spezielle Versicherungen für Roboter sowie für Automatikprodukte gibt es bis jetzt noch kaum. Sinnvoll sind je nach Situation die Produktehaftpflichtversicherung, die Maschinenversicherung und die Betriebshaftpflichtversicherung. Bei einem Kauf- sowie einem Werkvertrag ist auch zu regeln, wer welche Versicherungen abschliesst und die Kosten dafür übernimmt.

Geistiges Eigentum beachten

Wird ein Produkt durch eine neue Technik, zum Beispiel 3-D-Drucker, hergestellt, sind zumindest Patentrecht, De­signrecht und Urheberrecht zu beachten.

Patentgesetz, PatG (Art. 8)

Das Patent verschafft seinem Inhaber das Recht, anderen zu verbieten, dessen Erfindung gewerbsmässig zu benützen. Als
Benützung gelten insbesondere das Herstellen, das Lagern, das Anbieten, das Inverkehrbringen, die Ein-, die Aus- sowie die Durchfuhr sowie der Besitz zu diesen Zwecken.

Designgesetz, DesG (Art. 9)

Das Designrecht verleiht dem Rechtsinhaber das Recht, andern zu verbieten, das Design zu gewerblichen Zwecken zu gebrauchen. Als Gebrauch gilt unter anderem auch das Herstellen. Dabei kommt es nicht auf die Herstellungsmethode an. Der Rechtsinhaber kann Dritten ausserdem verbieten, bei einer widerrechtlichen Gebrauchshandlung mitzuwirken, deren Begehung zu begünstigen oder zu erleichtern.

Urheberrechtsgesetz (Art. 10)

Der Urheber hat das ausschliessliche Recht zu bestimmen, ob, wann und wie das Werk verwendet wird. Er hat auch das Recht darüber zu entscheiden, ob Werkexemplare hergestellt werden.