Recht

Technologie und Recht (Teil 3 von 5)

IP-Investitionen in Technologieunternehmen

Ein aktiv bewirtschaftetes IP-Portfolio soll in einem technologie- und innovationsge­triebenen Umfeld einen Wettbewerbsvorteil sichern. Dabei sollen die in Aufbau und Pflege der Schutzrechte investierten Ressourcen möglichst effizient genutzt werden. Dies gelingt nur, wenn das IP-Portfolio auf die Unternehmensstrategie abgestimmt wird.
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Im Januar 2014 wurde die Firma Nest Labs Inc., ein Hersteller von vernetzten Heizungsreglern, für 3,2 Milliarden US-Dollar von Google aufgekauft. Mit diesem Kauf ist Google nicht nur an ein erstklassiges Team von ehemaligen Apple-Entwicklern gekommen, sondern konnte sich auch ein vielversprechendes Patentportfolio im Bereich der Heimautomation und intelligenter Regelsysteme aneignen. Zum Zeitpunkt des Erwerbs durch Google umfasste das IP-Portfolio der Firma Nest circa 100 erteilte Patente und etwa 200 anhängige Patentanmeldungen.

Erfolgreiche IP-Strategie

Neben diesem bestehenden und offensiv nutzbaren Patentportfolio verfügte Nest zudem über Lizenzen zur nicht-exklu­siven Nutzung des Patentportfolios des berüchtigten US-amerikanischen Patentverwerters Intellectual Ventures mit über 40 000 Schutzrechten. Somit hatte Nest zu diesem Zeitpunkt ein beeindruckendes offensives sowie defensives Patentportfolio, welches auf einen Schlag an Google überging. Der Mastermind hinter dieser optimierten und äusserst erfolgreichen IP-Strategie war Richard Lutton, ehemaliger Head of Patents von Apple, der im Jahre 2012 zu Nest gestossen war und das Portfolio in knapp zwei Jahren auf Vordermann brachte. Die IP-Strategie von Nest war optimal auf ihre Bedürfnisse zugeschnitten und erlaubte es damit, den Wert des Patentportfolios als strategisches Asset zu maximieren. 

Als Richard Lutton zu Nest stiess, lobte er noch die «Energie und bastelhafte Start-up-Kultur» und passte seine strategische Ausrichtung von der Verwaltung zahlreicher globaler Rechtsstrei­tigkeiten bei Apple zum Aufbau eines schlanken, aber schlagkräftigen Portfolios bei Nest an. 

Das Patentportfolio war nicht der einzige oder hauptsächliche Treiber des hohen Transaktionspreises im Nest-Kauf, aber die IP-Strategie von Nest fügte sich nahtlos in die Wertschöpfungskette des Unternehmens ein und wurde zu einem entscheidenden Asset. 

Das Beispiel Nest /Google /Apple zeigt unter anderem, dass in technologiegetri­ebenen Branchen die beste Patentstrategie immer eine massgeschneiderte ist. Es lohnt sich nicht nur für amerikanische Unternehmen aus Silicon Valley, ihre Wettbewerbsposition mit geistigem Eigentum strategisch abzusichern. Auch mittelständische europäische Unternehmen müssen sich im Zuge globaler Wertschöpfungs­ketten und Warenströme schutzrechtstechnisch geschickt aufstellen, um ihren technologischen und innovativen Wettbewerbsvorsprung zu sichern. 

Der Anfang: das IP-Audit 

Jede gute Strategie beginnt mit einer Bestandsaufnahme. Anschliessend können Ziele definiert werden, die eine allfällig gewünschte strategische Neuausrichtung ermöglichen sollen. In vielen Unternehmen wird IP bedauerlicherweise als rein administrative Angelegenheit verwaltet und mehr als zwingende Bürde denn als nutzbringende Investition angesehen. Um aber IP als strategisches Asset gewinnbringend einzusetzen, muss sie Teil der Zielsetzung des Gesamtunternehmens und in die strategische Entscheidungsfindung miteinbezogen werden. 

In einem IP-Audit soll untersucht werden, wie gut bestehende Schutzrechte und die allgemeine Patent- und Markenstrategie dem eigentlichen Unternehmensziel dienen. Zweckdienlich ist es, in einem Audit die Schutzrechte mit einem definierten Bewertungssystem in Relation zu ihrem Geschäftsnutzen zu bewerten. Grob lassen sich Schutzrechte in einem Unter­nehmen in zwei Kategorien unterteilen: solche, welche sich direkt einem bestehen­den oder zukünftigen Produkt oder einer Dienstleistung zuordnen lassen, und solche, deren Nutzen vornehmlich speku­lativer oder strategischer Natur ist, zum Beispiel indem das Schutzrecht als Verhandlungsbasis für Kreuzlizenzen oder zur Blockierung eines Marktzugangs durch Dritte genutzt wird. Da die mit der Bewertung verbundenen Fragen Fachwissen aus verschiedenen Bereichen benötigen, empfiehlt es sich für IP-Audits neben den IP-Spezialisten, Vertreter aus der F&E, dem Marketing und der strategischen Geschäftsentwicklung miteinzubeziehen. 

Neben den eigentlichen Schutzrechten kann in einem umfassenden IP-Audit auch die Gesamtausrichtung des Unternehmens im Hinblick auf den Bedarf an Schutzrechten untersucht werden. Schlüsselbereiche, die es zu erkennen gilt, sind solche, in denen sich mit Schutzrechten zum Beispiel höhere Preise durchsetzen oder Konkurrenten auf Abstand halten lassen. Sind solche Bereiche einmal identifiziert, kann mit gezielter F&E und konkreten Zielvorgaben ein idealer Nährboden für die strategische Portfolioentwicklung geschaffen werden. 

Ressourcen im Portfolio nutzen

Damit das IP-Audit nicht zur reinen Nabelschau verkommt, sind stets das Markt­umfeld und die technologische Reife der Produkte im Auge zu behalten. Wenn ein Ist-Zustand einmal erfasst, und ein strategischer Bedarf erkannt ist, gilt es die vorhandenen Ressourcen dieser Zielerfassung unterzuordnen.

Ein umfassendes IP-Audit fördert etwaige Schwächen und Stärken im Schutzrechtsportfolio zutage. In einem zweiten Schritt gilt es nun, die Schutzrechte effizient zu bewirtschaften. Im besten Fall sind einige Schutzrechte identifiziert worden, die nicht einfach substituierbar sind und Kerntechnologien des Unternehmens schützen. Bei diesen Schutzrechten kann der Fokus auf den Lebenszyklus gesetzt werden. Eine besondere Rolle nehmen Schutzrechte ein, die Bestandteil einer Lizenzvereinbarung sind, sei es, weil sie in Kreuzlizenzen zur Sicherung des eigenen Marktzuganges lizenziert werden, oder weil sie gewinnbringend Lizenzgebühren durch die Nutzung durch Dritte generieren. Schutzrechte, die nicht oder nicht länger den unternehmerischen Zielen dienen, können hingegen fallengelassen oder verkauft werden, um Ressourcen für neue Anmeldungen frei zu machen. Neben der Erschaffung von eigenem IP, kann man, wie anhand des einleitenden Beispiels von Nest eingängig illustriert, die eigene Schutzrechts­position auch über Zukäufe, Kreuzlizen­zierung oder strategische Allianzen ergänzen und stärken. 

Patentanmeldestrategien 

Stehen die unternehmerischen Ziele einmal fest, kann die Anmelde- und Schutzrechtsstrategie auf den optimalen Nutzen zur Erlangung dieser Ziele ausgerichtet werden. Hier gilt es, eine massgeschneiderte Lösung mit überprüfbaren Meilensteinen zu definieren. Ein Allheilmittel gibt es hier nicht, und die Strategie ist auch ständiger Überprüfung und gege­benenfalls Anpassung zu unterziehen. 

Die exemplarischen Darstellungen in den Abbildungen 2 und 3 zeigen zwei Anmeldestrategien, wie sie für zwei fun­damental verschiedene unternehmerische Ausgangspositionen infrage kommen könnten. 

In Abbildung 2 bewegt sich ein KMU in einem reifen Marktsegment mit einer reifen Technologie durch einen IP-gestützten Innovationsvorsprung sowie einen betriebs- und standortbasierten Qualitätsvorsprung. Das KMU ist bemüht, eine Margenerosion zu verhindern und den Marktanteil durch Exklusivrechte zu sichern. 

Im Beispiel in Abbildung 3 strebt ein Start-up mit einer breit anwendbaren Grundlagentechnologie, die in einer Vielzahl von zukünftigen Anwendungen genutzt werden könnte, an, zunächst einen In­vestor zu finden und eine mögliche Finanzierung zu sichern, um ein erstes Produkt realisieren zu können. 

Das Ende: das IP-Audit

Ist eine IP-Strategie festgelegt, so sollte sie mit Meilensteinen oder überprüfbaren Zielvorgaben gekoppelt sein. In dieser Hinsicht unterscheidet sich die strategische Zielführung in der Bewirtschaftung des IP-Portfolios nicht von anderen Projekten. Regelmässig durchgeführte IP-Audits erlauben es auch, die Strategie bei Bedarf neu zu justieren, auf Unvorhergesehenes zu reagieren oder bei Bedarf neu auszurichten. Neben der regelmässigen Kontrolle des Eigenbestandes kann es auch sinnvoll sein, die Abklärung von Drittschutz­rechten zum Bestandteil rekurrierender IP-Audits zu machen. 

Zusammenfassung

Sollen die Investitionen in das eigene Schutzrechtsportfolio die unternehmerische Strategie stützen, so muss die Bewirtschaftung des IP-Portfolios entsprechend an den stra­tegischen Bedarf ausgerichtet werden. Regelmässige Analysen, sogenannte IP-Audits, oder die Berücksichtigung des eigenen IP-Portfolios im Rahmen der in der Strategieentwicklung durchgeführten SWOT-Analysen, können als Werkzeuge helfen, die IP-Situation in einem Ist-Zustand zu erfassen, um eine gezielte Entwicklung des IP-Bestands zu ermöglichen. 

Ein der strategischen Ausrichtung gänzlich unterworfenes IP-Portfolio kann so zu einem unternehmerischen Asset werden, welches sich direkt auf die Wertschöpfungskette auswirkt.

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