Recht

Gesetzesänderungen 2024 I

Die wichtigsten Revisionen für die nächsten Jahre

Nächstes Jahr müssen sich Unternehmen auf wichtige Änderungen des Umwelt- und Energierechts vorbereiten. Ausserdem sind Neuerungen im Betreibungsrecht und weitere Anpassungen im Wirtschaftsrecht vorgesehen.
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Der Bundesrat will den Treibhausgas-Ausstoss bis 2030 halbieren und das Klimaziel 2030 erreichen und trotz der Ablehnung der Revision des CO₂-Gesetzes dieses ändern. Er hat zu diesem Zweck im September 2022 die Botschaft zum revidierten CO₂-Gesetz für die Zeit von 2025 bis 2030 verabschiedet. Die Vorlage berücksichtigt die Ergebnisse der Vernehmlassung und der Volksabstimmung von Juni 2021. Neue Abgaben wurden weggelassen und man setzt stattdessen auf wirkungsvolle Anreize, die durch gezielte Förderungen und Investitionen ergänzt werden.

Klimaschutzmassnahmen

Mit der Vorlage kann der Bund zwischen 2025 und 2030 insgesamt rund 4,1 Milliarden Franken in den Klimaschutz investieren. Mittel für die Klimaschutzmassnahmen fliessen wie bisher in das Gebäudeprogramm, den Technologiefonds und die Förderung von Geothermie. Neu können auch Biogasanlagen und Gemeinden bei ihrer Energieplanung unterstützt werden. Der Technologiefonds soll weiterhin innovativen Schweizer Firmen mit Bürgschaften zu Fremdkapital verhelfen und neu Risiken beim Ausbau von Fernwärmenetzen absichern. 

Im Verkehrsbereich sieht die Vorlage Mittel von rund 800 Millionen Franken vor. Dieses Geld fliesst namentlich in den Ausbau der Ladeinfrastruktur für Elektro­autos, die Anschaffung von Elektrobussen im öffentlichen Verkehr und die Förderung von internationalen Zug­verbindungen. Gleichzeitig soll die Vorlage die Schweizer Energieversorgung stärken und dafür sorgen, dass weniger Öl und Erdgas verbraucht werden. Dadurch reduziert sich in diesem Bereich die Ab­hängigkeit der Schweiz von Lieferungen aus dem Ausland. 

Die CO₂-Abgabe, die auf fossile Brennstoffe wie Öl und Gas erhoben wird, bleibt bei 120 Franken pro Tonne CO₂. Neu sollen die Mittel aus der Abgabe bis knapp zur Hälfte in Klimaschutzmassnahmen investiert werden. Dafür wird die Teil-
zweckbindung befristet bis 2030 ange­hoben. Die Bevölkerung und die Wirtschaft erhalten die andere Hälfte der Abgabe zurück. 

Die CO₂-Zielwerte für Fahrzeuge werden analog zu den Vorgaben der Europäischen Union weiter verschärft. Verfeh­len die Importeure ihre Zielvorgaben, fällt für sie eine Sanktion an. Neu sollen auch für Lastwagen CO₂-Zielwerte gelten. In der Volksabstimmung vom 18. Juni 2023 wurde das Klima- und Innovationsgesetz angenommen. Es tritt gemeinsam mit der dazugehörigen Verordnung voraussichtlich per 1. Januar 2025 in Kraft. Es legt im Einklang mit dem Klimaübereinkommen vom 12. Dezember 2015 folgende Ziele fest (KIG Art. 1):

  • Verminderung der Treibhausgasemissionen und Anwendung von Negativ­emissionstechnologien. Darunter versteht man biologische und technische Verfahren, um CO₂ aus der Atmosphäre zu entfernen und dauerhaft in Wäldern, in Böden, in Holzprodukten oder in anderen Kohlenstoffspeichern zu binden.
  • Anpassung an die und Schutz vor den Auswirkungen des Klimawandels
  • Ausrichtung der Finanzmittelflüsse auf eine emissionsarme und gegenüber dem Klimawandel widerstandsfähige Entwicklung.

Energiestrategie 2050

Die Schweiz verfügt heute über eine sichere und kostengünstige Energiever­sorgung. Wirtschaftliche und technolo­gische Entwicklungen sowie politische Entscheide im In- und Ausland führen derzeit zu grundlegenden Veränderungen der Energiemärkte. Um die Schweiz darauf vorzubereiten, hat der Bundesrat die Energiestrategie 2050 entwickelt. Mit dieser Strategie soll die Schweiz die neue Ausgangslage vorteilhaft nutzen und ihren hohen Versorgungsstandard erhalten. Gleichzeitig soll die Strategie dazu bei­tragen, die energiebedingte Umweltbelastung der Schweiz zu reduzieren. 

Der Bundesrat hat im Juni 2021 das Bundesgesetz über eine sichere Stromversorgung mit erneuerbaren Energien verabschiedet. Das Gesetz soll einen gesetzlichen Rahmen für Planungssicherheit und Investitionsanreize zum Ausbau der erneuerbaren Stromproduktion und zu deren Integration in den Markt schaffen. Im Weiteren soll eine gesetzliche Grundlage für die Ausrichtung von Investitionsbeiträgen für WKK-Anlagen (Wärme-Kraft-Koppelung) geschaffen werden. 

Verordnungsänderungen

Im Bereich Energie und Umwelt sind auch einige Verordnungsänderungen vorge­sehen:

  • Mit der Änderung der Automobilsteuerverordnung auf den 1. Januar 2024 soll die Befreiung der Elektroautomobile von der Automobilsteuer aufge­hoben werden. 
  • Die Energieverordnung wird wie folgt geändert (Art. 10 Abs. 4): Die Produzenten müssen dem Netzbetreiber einen Monat im Voraus mitteilen, ob sie ihren Anspruch auf die Abnahme und Vergütung der von ihnen produzierten Energie geltend machen wollen oder nicht. Diese Bestimmung tritt am 1. Januar 2024 in Kraft.
  • Energieförderungsverordnung (EnFV Art. 16 Abs. 4): Die Einspeiseprämie reduziert sich bei Betreibern, die nach den Artikeln 10–13 des Mehrwertsteuergesetzes (MWSTG) steuerpflichtig sind, um den Multiplikator des jeweils gültigen Normalsatzes gemäss Artikel 25 Absatz 1 MWSTG, gerundet auf vier Nachkommastellen.
  • Rohrleitungssicherheitsverordnung (RLSV Art. 39 a): Die Betreiber treffen Massnahmen für einen angemessenen Schutz ihrer Rohrleitungsanlagen vor Cyberbedrohungen. Sie erarbeiten gemeinsam Richtlinien über die Cybersicherheit. Dabei konsultieren sie das BFE, die Kantone und die interessierten Kreise.

Es werden einige Verordnungen des Umweltrechts angepasst, namentlich die Verordnung über die Sanierung von belas­teten Standorten (Altlasten-Verordnung, AltlV), die Verordnung zur Reduktion von Risiken beim Umgang mit bestimmten besonders gefährlichen Stoffen, Zubereitungen und Gegenständen (Chemikalien-Risikoreduktions-Verordnung, ChemRRV) und die Verordnung über Anpassungen des Verordnungsrechts an die Weiterentwicklung der Programmvereinbarungen im Umweltbereich für die Programmperiode 2025–2028 (Mantelverordnung Programmvereinbarungen).

Neue Pflichten

Die Volksinitiative für verantwortungsvolle Unternehmen wurde am 29. November 2020 abgelehnt. In der Folge trat der indirekte Gegenvorschlag des Parlaments am 1. Januar 2022 in Kraft. Die neuen Bestimmungen für eine nachhaltige Unternehmensführung zum Schutz von Mensch und Umwelt werden im Obligationenrecht (OR) geregelt. 

Grosse Schweizer Unternehmen sind ­gesetzlich verpflichtet, über bestimmte Bereiche ihrer Geschäftstätigkeit Transparenz zu schaffen. Sie müssen über die Risiken in den Bereichen Umwelt, So­zialbelange, Arbeitnehmerbelange, Menschenrechte und Bekämpfung der Korruption sowie über die dagegen ergrif­fenen Massnahmen Bericht erstatten (Pflicht zur Nachhaltigkeitsberichterstattung). Unternehmen mit Risiken in den sensiblen Bereichen der Kinderarbeit und der sogenannten Konfliktmineralien müssen zudem besondere und weitgehende Sorgfalts- und Berichterstattungspflichten einhalten (Sorgfaltspflichten). 

Post- und Fernmeldeverkehr

Der Bundesrat erachtet das Bundesgesetz betreffend die Überwachung des Post- und Fernmeldeverkehrs (BÜPF) als ausreichend KMU-freundlich. Einen Handlungsbedarf sieht er nur auf Verordnungsebene. Dies zeigt der Bericht «Für ein verhältnismässiges Bundesgesetz betreffend die Überwachung des Post- und Fernmeldeverkehrs», den der Bundesrat an seiner Sitzung vom 18. Oktober 2023 in Erfüllung des Postulates  Albert Vitali verabschiedet hat. 

Einen Handlungsbedarf sieht der Bundesrat in der Verordnung über die Überwachung des Post- und Fernmeldeverkehrs (VÜPF). Diese soll für Mitwirkungspflichtige, insbesondere für FDA und AAKD, klare Definitionen vorsehen. Anhand dieser Definitionen soll einfach ersichtlich sein, in welche Kategorie ein Anbieter fällt. Die Arbeiten zur Revision der VÜPF laufen bereits. 

Im Rahmen des Bundesgesetzes über ­administrative Erleichterungen und eine Entlastung des Bundeshaushalts hat das Parlament am 19. März 2021 mit den neuen Artikeln 38 und 38a des Bundesgesetzes vom 18. März 2016 betreffend die Überwachung des Post- und Fernmeldeverkehrs (BÜPF) die gesetzlichen Grundlagen für die Einführung von jährlichen Pauschalen geschaffen. Mit der vorliegenden Revision soll das heutige komplexe Finanzierungs- und Rechnungsstellungssystem durch die Ein­führung von Pauschalen vereinfacht und die administrativen Kosten für alle Be­teiligten gesenkt werden. Zur klaren Abgrenzung gegenüber dem bisherigen ­Finanzierungssystem wird die geltende Verordnung über die Gebühren und Entschädigungen für die Überwachung des Post- und Fernmeldeverkehrs (GebV-ÜPF) durch die Verordnung über die Finanzierung der Überwachung des Post- und Fernmeldeverkehrs (FV-ÜPF) ersetzt.

Elektronische Patientendossiers

Mit dem elektronischen Patientendossier (EPD) sollen die Qualität der medizinischen Behandlung gestärkt, die Behandlungsprozesse verbessert, die Patientensicherheit erhöht und die Effizienz des Gesundheitssystems gesteigert sowie die Gesundheitskompetenz der Patienten gefördert werden. Das Bundesgesetz über das elektronische Patientendossier soll umfassend revidiert werden. 

Der Bericht in Erfüllung des Postulats 18.4328 Wehrli «Elektronisches Patientendossier. Was gibt es noch zu tun bis zu seiner flächendeckenden Verwendung?» hat aufgezeigt, dass die Finanzierung der Stammgemeinschaften unzureichend sichergestellt ist. Da bis zum Inkrafttreten der umfassenden Revision des EPDG, mit der die nachhaltige Finanzierung des EPD geregelt werden soll, rund fünf Jahre vergehen dürften, stellt dieser Zeitraum eine kritische Phase in der Einführung und Verbreitung des EPD dar. Mittels der Gewährung von zeitlich befristeten Finanzhilfen an die Stammgemeinschaften soll die Phase bis zum Inkrafttreten der umfassenden Revision des EPDG überbrückt werden.

Arbeitsrecht

Durch eine Änderung der Jugendarbeitsschutzverordnung ArGV 5 soll Jugend­lichen ab 15 Jahren ermöglicht werden, in «Brückenangeboten», d. h. ausserhalb der beruflichen Grundbildung, unter be­stim­m­ten Voraussetzungen gefährliche Arbeiten auszuführen. Damit der Gesundheitsschutz der Jugendlichen gewahrt bleibt, muss der Betrieb dafür entweder über eine Bildungsbewilligung verfügen oder eine Ausnahmebewilligung beim Kanton einholen.

Nach ArGV 5  Art. 4 gelten alle Arbeiten als gefährlich, die ihrer Natur nach oder aufgrund der Umstände, unter denen sie verrichtet werden, die Gesundheit, die Ausbildung und die Sicherheit der Jugendlichen sowie deren physische und psychische Entwicklung beeinträchtigen können. Das Eidgenössische Departement für Wirtschaft, Bildung und Forschung (WBF) legt fest, welche Arbeiten nach der Erfahrung und dem Stand der Technik als gefährlich gelten. Jugendliche mit einem eidgenössischen Berufs­attest (EBA) oder einem eidgenössischen Fähigkeitszeugnis (EFZ) dürfen für gefährliche Arbeiten beschäftigt werden, wenn sie diese im Rahmen des erlernten Berufs ausführen. 

Jugendliche ab 15 Jahren dürfen für gefährliche Arbeiten auch ausserhalb der beruflichen Grundbildung beschäftigt werden, wenn die Arbeiten im Rahmen einer eidgenössischen oder kantonalen Massnahme zur beruflichen Eingliederung oder im Rahmen eines Angebots zur Vorbereitung auf die berufliche Grundbildung gemäss Artikel 12 BBG4 ausgeführt werden und unter anderem folgende Voraussetzungen erfüllt sind: Die Massnahme oder das Angebot wird gemäss eidgenössischen oder kantonalen Vor­gaben durch eine Behörde beaufsichtigt. Es handelt sich um eine Tätigkeit, für die in einer Bildungsverordnung eine Ausnahme vorgesehen ist (ArGV 5 Art. 4b). 

Zur Anerkennung ausländischer Berufsqualifikationen wird ein Abkommen zwischen der Schweiz und dem Vereinigten Königreich  über die Anerkennung von Berufsqualifikationen und Umsetzung im Anwaltsgesetz geschlossen. Ziel des Abkommens ist es, die Einführung eines gemeinsamen Verfahrens für die gegenseitige Anerkennung von Berufsqualifi­kationen festzulegen, um im jeweiligen Hoheitsgebiet die Ausübung reglementierter Berufe zu fördern. Es dient als Rahmen für die Vertragsparteien, berufsspezifische Vereinbarungen über die gegenseitige Anerkennung von Berufsqualifikationen (MRA) zu schliessen. 

Betreibungsrecht

Der Bundesrat will den Missbrauch des Konkursrechts erschweren, indem er die Hürden beseitigt, welche geschädigte Gläubiger bei der Rechtsdurchsetzung gegen den Schuldner vorfinden. Neu sollen die Kosten des Konkursverfahrens auf den Schuldner abgewälzt werden. Auch soll verhindert werden, dass Unternehmen trotz chronischer Nichtzahlung fälliger öffentlich-rechtlicher Schulden ihre Geschäftstätigkeit weiterführen. 

Die Betreibungsämter sollen auf der Betreibungsauskunft künftig vermerken müssen, ob die Person im Einwohnerregister des Betreibungskreises bereits erfasst ist und dafür auf die erforderlichen Daten der Einwohnerregister zugreifen können. Mit dem Vermerk wird die Aussagekraft der Betreibungsauskunft für den Gläubiger deutlich verbessert. Weiter soll die Verwendung elektronischer Verlustscheine gefördert und die Versteigerung von Vermögensgegenständen über Online-Plattformen gesetzlich ge­regelt werden. 

Der Bundesrat wurde mit zwei parla­mentarischen Vorstössen beauftragt, eine Vorlage für ein Sanierungsverfahren für Privatpersonen vorzubereiten. Personen, die keine konkreten Möglichkeiten haben, ihre Schulden zu tilgen, soll eine wirtschaftliche Wiedereingliederung ermöglicht werden. 

Im Wirtschaftsbereich

Kleinere Wohnbauprojekte sollen vom Verbandsbeschwerderecht ausgenommen werden. Bürger, die innerhalb der Bauzonen Wohnbauten mit einer Geschossfläche von weniger als 400 m² planen, sollen nicht länger dem Risiko einer Beschwerde vonseiten einer nationalen Umweltorganisation ausgesetzt sein.

Bei Baumängeln sind Bauherren aber teilweise ungenügend geschützt. Dies hat eine Überprüfung gezeigt. Der Bundesrat will deshalb die Situation der Bauherrschaft und damit allen voran der Haus- und Stockwerkeigentümerinnen und -eigentümer verbessern. 

Das neue Bundesgesetz über Tabakprodukte und elektronische Zigaretten (TabPG) wurde am 1. Oktober 2021 vom Parlament verabschiedet. Die neue Verordnung über Tabakerzeugnisse und elektronische Zigaretten konkretisiert die Bestimmungen dieses Gesetzes. Dazu gehören beispielsweise die Details zu kombinierten Warnhinweisen, Testkäufen oder der Meldung von Produkten an das BAG.

Personen in der Schweiz, die in ein ausländisches Zivilverfahren involviert sind, sollen künftig auch ohne behördliche Genehmigung mittels Telefon- oder Videokonferenz befragt oder angehört werden können. Heute braucht es eine vorgängige Genehmigung durch das Bundesamt für Justiz. 

Der Bundesrat hat an der Sitzung vom ­15. September 2023 die Ergebnisse der Vernehmlassung zur Einführung eines Schweizer Trusts zur Kenntnis genommen. Es besteht derzeit kein ausreichender politischer Konsens für die Einführung eines Trusts nach Schweizer Recht. Insbesondere die steuerrechtlichen Regelungen wurden in der Vernehmlassung klar abgelehnt. Der Bundesrat verzichtet daher auf die Ausarbeitung einer Botschaft und beantragt dem Parlament die Abschreibung der Motion.

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