Die Richter
Das Gericht setzt sich aus rechtlich qualifizierten Richtern und aus technisch qualifizierten Richtern zusammen. Die Richter werden für eine Amtszeit von sechs Jahren ernannt, wobei eine Wiederernennung zulässig ist. Der Verwaltungsausschuss des Einheitlichen Patentgerichts, der sich aus je einem Vertreter der Vertragsstaaten zusammensetzt, ernennt auf Grundlage einer Empfehlungsliste eines Beratenden Ausschusses einvernehmlich die Richter des Gerichts.
Aktuell sind 34 rechtlich qualifizierte Richter ernannt worden sowie 51 technisch qualifizierte Richter in den fünf technischen Gebieten Biotechnologie, Chemie/Pharmazie, Elektrizität, Maschinenbau und Physik. Die technisch qualifizierten Richter üben ihre Funktion im Nebenamt aus und sind hauptberuflich zum Grossteil als freiberufliche Patentanwälte tätig.
Die Spruchkörper des Gerichts erster Instanz sind multinational zusammengesetzt und bestehen grundsätzlich aus drei Richtern. Die Spruchkörper der Zentralkammer umfassen immer einen technisch qualifizierten Richter. Die Spruchkörper der Lokalkammern und Regionalkammern können auf Antrag einer Partei um einen technisch qualifizierten vierten Richter erweitert werden. Den Vorsitz in jedem Spruchkörper führt immer ein rechtlich qualifizierter Richter.
Die Spruchkörper des Berufungsgerichts tagen in einer multinationalen Zusammensetzung aus grundsätzlich fünf Richtern. Ein Spruchkörper besteht jeweils aus drei rechtlich qualifizierten Richtern, die Staatsangehörige unterschiedlicher Vertragsstaaten sein müssen, und zwei technisch qualifizierten Richtern, die über eine entsprechende Qualifikation und Erfahrung auf dem betreffenden Gebiet der Technik verfügen. Den Vorsitz führt ein rechtlich qualifizierter Richter.
Anwendbares Recht
Das Einheitliche Patentgericht stützt sich bei seinen Entscheidungen in Rechtsstreitigkeiten insbesondere auf das EU-Recht, das EPG-Übereinkommen selbst und das Europäische Patentübereinkommen (EPÜ). Letzteres regelt die Erteilung europäischer Patente und definiert insbesondere die Voraussetzungen für ein rechtsgültiges europäisches Patent. Die rechtlichen Grundlagen für die Beurteilung von Patentverletzungen hingegen sind im EPGÜ geregelt, nämlich das Recht des Patentinhabers auf das Verbot der Benutzung der Erfindung (Art. 25, 26, 30 EPGÜ) und die Beschränkungen der Wirkungen des Patents (Art. 27–29 EPGÜ).
Im Gegensatz zu den beiden EU-Verordnungen 1257/2012 und 1260/2012, welche das Einheitspatent begründen, handelt es sich beim EPGÜ nicht um EU-Recht im eigentlichen Sinne. Auch wenn EU-Recht immer Vorrang hat – wie es auch bei nationalen Gesetzen der EU-Mitgliedstaaten der Fall ist –, muss deshalb das Einheitliche Patentgericht dem Europäischen Gerichtshof, der obersten Gerichtsinstanz der EU, keine Fragen zur Auslegung des EPGÜ vorlegen, ausser es geht um Fragen des EU-Rechts.
Hier unterscheidet sich die Situation beispielsweise vom Markenrecht, wo die EU ein eigentliches Markenrecht auf EU-Ebene geschaffen hat und wo die nationalen Markenschutzgesetze der EU-Mitgliedstaaten die entsprechende EU-Markenrichtlinie umsetzen. Dieser Unterschied war von den Gesetzgebern gewollt, da bei der Ausarbeitung des Einheitspatentsystems eine Verlängerung der Verfahrensdauer durch das Miteinbeziehen des Europäischen Gerichtshofs befürchtet wurde. Entsprechend wurden die materiellen Bestimmungen zur Beurteilung von Patentverletzungen im EPGÜ definiert anstatt in einer EU-Verordnung.
Relevanz für die Anwender
In das Einheitliche Patentgericht werden seitens der Anwender, sowohl der Patentinhaber als auch der potenziellen Gegner in einem Patentverletzungsverfahren, einige Hoffnungen gesetzt. Zum einen wünscht man sich eine voraussehbarere und einheitlichere Rechtsprechung, als es bei dem bisherigen System mit vielen verschiedenen nationalen Gerichten mit eigener Rechtsprechungspraxis der Fall war.
Zum anderen erhofft man sich schnellere und kostengünstigere Verfahren. Ob das Einheitliche Patentgericht diese Erwartungen erfüllen kann, muss sich jedoch erst noch zeigen. Insbesondere sind einige im Patentbereich ebenfalls relevante Staaten wie Grossbritannien, Spanien und die Schweiz nicht Teil des neuen Systems und werden es im Fall der Nicht-EU-Staaten auch nie werden können.
Klar ist jedoch, dass es für einen Patentinhaber zukünftig einfacher werden wird, ein Patent in mehreren Ländern gleichzeitig durchzusetzen, vorausgesetzt sie sind Teil des Einheitspatentsystems. Dies ist insbesondere für KMU relevant, die es sich oft nicht leisten können mehrere Patentverletzungsverfahren gleichzeitig zu führen. Gleichzeitig steigt auch das Risiko, da das betreffende Patent dann auch durch eine einzige Entscheidung in mehreren Ländern wegen mangelnder Patentfähigkeit für nichtig erklärt werden kann.
Zusammenfassung
Das Einheitliche Patentgericht tritt für europäische Patente an die Stelle der bisher für Patentstreitigkeiten zuständigen nationalen Gerichte der 17 Vertragsstaaten des neuen Einheitspatentsystems.
Das Einheitliche Patentgericht bietet Patentinhabern die Chance auf eine effektivere und effizientere Durchsetzung ihrer Rechte und der Öffentlichkeit die Aussicht auf eine einheitliche und voraussehbare Rechtsprechung im Patentbereich.