Für den Aktionärsbindungsvertrag (ABV) besteht, anders als etwa für den Kauf-, Werk- oder Mietvertrag, keine gesetzliche, vertragstypologische Regelung. Der ABV gilt vielmehr als Erfindung der Wirtschaftspraxis, die von juristischer Seite aber seit Langem als zulässig anerkannt wird. Neben der Rechtsprechung gelangen auf ABV insbesondere die Bestimmungen des allgemeinen Teils des Obligationenrechts zur Anwendung.
Bezüglich Terminologie darf man sich nicht verwirren lassen: Gebräuchlich sind neben «Aktionärsbindungsvertrag» oder kurz «ABV» eine ganze Palette von Begriffen wie «Aktionärskonsortium», «Aktionärssyndikat», «Syndikatsvertrag» oder (im Zuge der zunehmenden Anglisierung) «Poolvertrag», «Shareholder Agreement» oder «Stockholder Agreement». Relevant für die rechtliche Qualifikation als ABV ist aber nicht, wie die Parteien ihre Vereinbarung nennen, sondern deren inhaltliche Ausgestaltung.
Den Inhalt eines ABV können die Parteien in den Schranken des zwingenden Rechts je nach Zielsetzung frei definieren. Typische und in den meisten Konstellationen sinnvolle Regelungsbereiche werden nachfolgend dargestellt. Diese Ausführungen sind im Übrigen auch für die GmbH relevant, auch wenn bei dieser Gesellschaftsform schon von Gesetz wegen viele personalistische Elemente vorhanden sind (zum Beispiel Treuepflichten) und in den Statuten verankert werden dürfen (Beispielsweise Nachschusspflichten). Damit besteht unter GmbH-Gesellschaftern in der Regel ein weniger ausgeprägtes Bedürfnis nach einer vertraglichen Regelung.
Veräusserungsbeschränkungen
Für eine umfassende Kontrolle über den Aktionärskreis sind die statutarisch zulässigen Verfügungsbeschränkungen (Vinkulierung, vgl. Artikel 685a ff. OR) nur bedingt geeignet. Deshalb sehen ABV regelmässig vor, dass die Beteiligten ihre Aktien nur unter Einhaltung gewisser Modalitäten verkaufen dürfen. Ist ein sogenanntes Vorhandrecht vereinbart, muss der verkaufswillige Aktionär seine Aktien zuerst den übrigen Vertragsparteien zum Kauf anbieten. Erst wenn alle auf ihr Vorhandrecht verzichtet haben, dürfen die Aktien während einer bestimmten (ebenfalls vertraglich vorgesehenen) Frist einem Dritten angeboten werden.
Kommt dann ein Kaufvertrag mit einem Dritten zustande, räumen manche ABV den übrigen Parteien zusätzlich ein Vorkaufsrecht ein, welches gegenüber dem Vorhandrecht somit zeitlich nachgelagert ist. Das Vorkaufsrecht bewirkt, dass die übrigen Aktionäre als Käufer in den Kaufvertrag eintreten und die Aktien zu den mit dem Dritten vereinbarten Bedingungen erwerben können.
Für den Fall, dass die Aktien ohne Zutun eines Aktionärs den Inhaber wechseln, kann ein sogenanntes Kaufrecht vereinbart werden. Relevant ist dies etwa im Todesfall eines Aktionärs, denn dann gehen dessen Aktien zusammen mit seinem übrigen Vermögen automatisch auf die Erben über (Universalsukzession). Ähnliches gilt bei der güterrechtlichen Auseinandersetzung im Rahmen der Ehescheidung oder wenn bei der Schuldbetreibung Aktien gepfändet und öffentlich versteigert werden. Mittels Kaufrecht kann den übrigen Parteien das Recht eingeräumt werden, die Aktien in den erwähnten sowie allenfalls weiteren Konstellationen vom bisherigen Aktionär oder dessen Rechtsnachfolger zu einem vorgängig festgelegten Preis zu erwerben.
Für die Preisfestlegung sollten die Parteien im ABV eine Bewertungsmethode definieren, zum Beispiel die sogenannte Praktikermethode ([1 x Substanzwert + 2 x Ertragswert] / 3). Für den Fall, dass sich die Parteien trotz Bewertungsmethode nicht auf einen Preis einigen können, sollte der ABV sodann eine unabhängige Stelle bezeichnen, zum Beispiel eine Treuhandgesellschaft, welche den Preis dann bindend für alle Beteiligten festlegt.
Stimmbindungen
Mittels Stimmbindungsklauseln können sich die Parteien gegenseitig verpflichten, das Stimmrecht an der Generalversammlung in einer vorgängig definierten Weise auszuüben. Häufig anzutreffen ist etwa die Pflicht, bestimmte Personen in den Verwaltungsrat zu wählen oder der Ausschüttung eines bestimmten Prozentsatzes des Jahresgewinns zuzustimmen. Verteilen sich die Aktienstimmen gleichmässig auf zwei Aktionäre oder zwei Aktionärsgruppen, kommt es bei Uneinigkeit zu einer Pattsituation. Solche können ein Unternehmen vollständig blockieren und im Extremfall zu dessen Untergang führen. Ein möglicher Lösungsansatz bestünde etwa darin, dass jeder Aktionär per ABV verpflichtet wird, einem unabhängigen Dritten eine Aktie treuhänderisch zu übergeben. Dieser Dritte übt dann an der Generalversammlung sein Stimmrecht ohne jegliche Weisung aus, womit Pattsituationen vermieden werden.