Dass digitale Recruiting-Prozesse Zeit und Kosten sparen, ist den meisten kleinen und mittleren Unternehmen bewusst. Die Frage ist nur: Wie gelingt es, die Personalbeschaffung zu digitalisieren? Welche Schritte sollten KMU dabei gehen, ohne ihre begrenzten Ressourcen zu strapazieren? Eine kleine Handlungsempfehlung.
Kein Plan
Trotz Fachkräftemangel fehlt es vor allem KMU an strategischer Personalplanung. Das geht aus einer aktuellen Studie der Online-Jobbörse Indeed, dem Kompetenzzentrum Fachkräftesicherung (KOFA) und der Zeitschrift Personalwirtschaft hervor. Dieses Ergebnis deckt sich mit Vorläuferstudien zu Schweizer KMU wie zum Beispiel der empirischen Analyse «E-Recruiting in Schweizer KMU», von Marco Chavaillaz und Jochen Schellinger (2017) oder der «Ausblick 2019» von Dr. Marco Gehrig im «KMU Magazin» (2019).
Der Grund dafür ist in der Ressourcenknappheit zu suchen. KMU fehlt es an Zeit, Budget und Manpower. Das Bewusstsein, mehr in digitales Recruiting zu investieren, ist vorhanden. Oftmals wissen Verantwortlich aber einfach nicht, wo sie anfangen sollen. Kein Wunder: Seit Jahren kursieren Buzz-Wörter rund um das Thema Digitalisierung in den Medien – oftmals verbunden mit grossen Zukunftsvisionen, international vernetzten Maschinenparks oder disruptiven Geschäftsmodellen. Für einen Betrieb mit 30 Mitarbeitern klingt das weltfremd.
Und hier liegt die Krux. Verantwortliche von KMU können oftmals gar nicht genau erfassen, was Digitalisierung für ihr eigenes Unternehmen bedeutet. Die vier Maschinen im Betrieb stammen teilweise aus einer Zeit, in der Digitalisierung noch kein Thema war. Das Personalwesen ist in «Low-Tech»-Manier digitalisiert: in Exceltabellen werden Fehlzeiten und Urlaubstage eingetragen. Personalbeschaffung? Die findet immerhin auf Online-Jobbörsen statt. Die eigene Webseite sieht allerdings so aus, als wäre sie auf einem Windows 95 Computer erstellt und seitdem nicht mehr aktualisiert worden. Wo also anfangen?
Das digitale Recruiting
Es ist hilfreich, sich die Entwicklung des digitalen Recruitings anzuschauen. Denn mit dieser Visualisierung können KMU-Verantwortliche sehen, auf welchem Stand ihr eigenes Recruiting ist. Die letzten 20 Jahre lassen sich in vier Phasen des digitalen Recruitings unterteilen:
- 1996 bis 2000: Die ersten Online-Jobbörsen bringen das Monopol der Print-Stellenanzeigen zu Fall. Online-Bewerbungen und -Stellenanzeigen sind bis heute ein wichtiger Bestandteil des Recruiting-Pozesses geblieben.
- 2004 bis 2013: An die Seite der Jobbörsen kommen jetzt Businessnetzwerke wie ‹Xing› oder ‹Linkedin›, in denen Recruiter selber auf Kandidatensuche gehen.
- 2012 bis 2016: Die Arbeitgebermarke wird immer wichtiger. In Bewertungsportale wie kununu, Jobvoting oder MeinChef können Interessierte hinter die Kulissen eines potenziellen Arbeitgebers blicken. Employer Branding wird für Unternehmen somit zwangsläufig ein Thema.
- Ab 2017: Künstliche Intelligenz rückt immer mehr in den Fokus von Personalern. Aus einem ganz einfachen Grund: Zeitgewinn. Wenn KI wiederholende Aufgaben abarbeitet, ohne dabei auf eine Interaktion mit einem Menschen angewiesen zu sein, kann der Personaler sich um andere Dinge kümmern.
Ebenen der Digitalisierung
Aus diesem Zeitstrahl können Verantwortliche drei unterschiedliche Ebenen ableiten, auf denen die Digitalisierung ihres Recruitings stattfinden kann. KMU sollten also als erstes eine Standortbestimmung vornehmen und sich fragen, auf welcher digitalen Ebene sie sich befinden. Je nach Kapazitäten und technologischem Stand, können sie dann die nächsthöhere Ebene in Angriff nehmen.
Ebene 1: Digitale Hausaufgaben machen
Die erste Ebene ist die, technologisch gesehen, unterste Ebene. Hier trifft das oben gewählte Beispiel des Low-Tech-Unternehmens zu. KMU auf dieser Ebene sollten als erstes ihre digitalen Hausaufgaben machen. Auf das Recruiting
bezogen, bedeutet das: klare und verständliche Jobbeschreibungen verfassen. Keine kryptischen Jobtitel wählen. Eine genaue Zielgruppenanalyse vornehmen und sich fragen, «Wer ist der ideale Kandidat, die ideale Kandidatin?». Und: die Kanäle identifizieren, auf denen sich die potenziellen Bewerber aufhalten. Normalerweise halten sich Kandidaten auf mehreren Kanälen auf: Online-Jobbörsen, soziale Netzwerke wie ‹Facebook› oder ‹Instagram›, Karriere-Netzwerke wie ‹Linkedin› oder ‹Xing›, mobile Apps wie ‹Truffls›. Alle zielgruppenrelevanten Kanäle gilt es zu besetzen. Das digitale Erscheinungsbild von KMU spielt ebenfalls eine immer wichtigere Rolle. KMU sollten in ihre Arbeitgebermarke investieren und sich als attraktiver Arbeitgeber positionieren. Dabei ist Glaubwürdigkeit und Authentizität sehr wichtig. Hier sollten Verantwortliche ihre Mitarbeiter mit einbinden. Ein Mitarbeiter, der ehrlich über seinen Arbeitgeber berichtet, kann grossen Einfluss auf potenzielle Bewerber ausüben. Zum Erscheinungsbild gehört auch die allgemeine Aussendarstellung. Employer Branding und Öffentlichkeitsarbeit gehen also im Idealfall Hand in Hand. Eine aktuelle, mobile-fähige Website und eine extra Karriere-Webseite sind ebenso wichtig. Denn Bewerber nutzen zunehmend ihre mobilen Endgeräte für die Jobsuche, allen voran die jungen Talente der Generationen Y und Z. Mobile Recruiting ist ein klarer Trend in der Personalbeschaffung 4.0.