Strategie & Management

Nachhaltigkeit

Mit der Mentorenkraft von Marken Gewohnheiten verändern

Die Mehrheit möchte gemäss einer Studie zwar nachhaltig leben, doch nur wenige handeln bei ihren Einkäufen entsprechend. Wie also können Marken dazu beitragen, Verbrauchergewohnheiten zu verändern? Der Beitrag zeigt einige Beispiele für Lösungsansätze.
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Die Wiener Nachhaltigkeits-Bloggerin Justine Siegler brachte es erst kürzlich mit ihrem Beitrag: «Seit wann ist es normal, dass Nicht-Bio, Nicht-Fair, Nicht-Nachhaltig, Nicht-Öko normal ist?» auf den Punkt und traf den empfindlichen Nerv unserer heutigen Gesellschaft. Mehr als 4000 Mal wurde der Blogartikel bisher über Social Media geteilt und entfachte eine längst überfällige Diskussion. Denn laut einer aktuellen Studie von «Oeko-Tex» geben 70 Prozent der Befragten an, nachhaltig leben zu wollen. Aber dennoch treffen nur wenige während des Einkaufs nachhaltige Entscheidungen. Knapp 39 Prozent versuchten, Marken oder Unternehmen zu meiden, die ihrer Meinung nach nicht umweltfreundlich sind, und nur 35 Prozent überprüften, ob die Angaben auf dem Produktetikett oder der Verpackung stimmen.

Markenmission am Point of Sale

Wie können Marken also aktiv dazu beitragen, die Gewohnheiten der Verbraucher beim Kauf, bei der Nutzung und auch bei der Entsorgung eines Produkts zu verändern beziehungsweise zu beeinflussen, um damit wiederum Impulse und längst überfällige Innovationsprozesse in der Industrie anzustossen?

In einem Interview über die globale Erwärmung und die damit verbundene Verhaltensänderung erklärte Professor Dan Ariely, ein Experte für Verhaltensökonomie an der Duke University, dass wir die Menschen nicht dazu bringen können, über dieses Problem ständig nachzudenken. Aber es ist entscheidend, dass wir ihre Aufmerksamkeit auf die globale Erwärmung genau in dem Moment richten, in welchem sie mit ihren Kaufentscheidungen einen Unterschied machen können. Wie lässt sich dies also am besten und auch am authentischsten bewirken? Indem Marken ihre ganz eigene Geschichte und Mission zur Nach­haltigkeit mit ihren Produkten und auch am Point of Sale verbinden. So können die Konsumenten den Unterschied sehen und verstehen, den das Produkt in Bezug auf die Umwelt bewirken kann.

Ein Beispiel: Direkt unter seiner Trekkinghose zeigte das spanische Outdoor-Label «Ternua» einige Plexiglaswürfel mit dem Abfallmaterial, aus dem «Econyl»-Nylon für die Herstellung der Hose verwendet wird. Indem das Label die Geschichte hinter ihren Produkten visuell und konkret erzählte, gab es explizit Auskunft darüber, wie viel Öl durch die Verwendung von Abfall als Rohstoff eingespart wird und welche Vorteile sich daraus für die Meere ergeben.

Darüber hinaus entwickelte Ternua zusammen mit den Fischergemeinden im Norden von Spanien das Projekt «Redcycle» («red» bedeutet hier «Netz»), um ausrangierte Fischer- und Geisternetze aus den Hafengebieten zu bergen. Das Konzept, diese Geschichte genau am Point of Sale zu erzählen, wo Verbraucher sich für ein Produkt entscheiden, ist eine grossartige Möglichkeit, den USP eines Produktes am richtigen Ort und im richtigen Moment zu unterstreichen.

Maximale Transparenz

Indizien für das Vertrauen in eine Marke sind offen deklarierte Inhaltsstoffe und Zertifizierungen. Nach einer Studie von «Oeko-Tex» überprüfen 49 Prozent der Konsumenten die Zusammensetzung der verwendeten Stoffe und 52 Prozent sind für ihre Kaufentscheidung bestimmte Zertifizierungen wie etwa «Demeter» oder «GOTS» (Global Organic Textile Standard) wichtig. Aus einer weiteren interessanten Studie von Accenture geht hervor, dass die Verbraucher zudem frustriert sind, weil sie nicht in der Lage sind, verantwortungsvollere Marken schnell zu identifizieren, um sich bewusst nachhaltig zu entscheiden.

Dass es auch anders geht, beweist das Menswear Label der Surfer-Legende Kelly Slater, «Outerknown». Die Marke setzt auf die Bedeutung von Materialien und Inhaltsstoffe als Schlüsselelement für ihre Nachhaltigkeitsgeschichte. So besucht das Label zum Beispiel vor Beginn einer möglichen Zusammenarbeit die potenziellen Lieferanten, um alle Produktionsschritte in Augenschein zu nehmen und die Abfallmaterialien zu sehen, die im Zuge der Regeneration für die Kollektionen aufgearbeitet werden. Für die grös­st­mögliche Transparenz zu den Kunden wurde eine dieser Reisen in einer Videodokumentation aufbereitet und den Konsumenten zugänglich gemacht.

Ein weiteres Beispiel dafür, wie wichtig es ist, dass Marken genau dort präsent sind, wo und wann Gespräche über die Nachhaltigkeit ihrer Produkte stattfinden, ist die weltweite «Fashion Revolution Week». Interessierte und Konsumenten werden eingeladen, Marken nach «#WhoMadeMyClothes» zu fragen. Diese Initiative konzentrierte sich zunächst vor allem auf die sozialen Arbeitsbedingungen von Bekleidungsherstellern. Durch das Mitwirken von Mitarbeitern, die zum Beispiel in den verschiedenen Stadien des Regenerationsprozesses arbeiten, erweiterte sich das Konzept jedoch schnell um eine ökologische Sichtweise. So entstand etwa die Produktion eines Badeanzugs – von den Abfällen als Rohstoff bis zur fertigen Schwimmkollektion.

Remanufacturing als Basis

Ein weiteres, ansprechendes Beispiel liefert der niederländische Teppichhersteller Desso. Nach Ansatz des Remanu­facturing hat das Unternehmen seine Teppichfliesen dahingehend innoviert, dass diese am Ende ihrer Nutzung wesentlich leichter recycelbar sind. Somit wird den Kunden die Entscheidung zum Kauf von nachhaltigeren Produkten bereits bei der Herstellung abgenommen. Die Kollektion besteht auf der sogenannten «Eco Base»-Beschichtung. Zudem sind alle Produkte dieser Serie nach dem «Cradle to Cradle»-Prinzip zertifiziert. Der obere Teil besteht aus recyceltem Garn, während die Rückseite recycelte, überarbeitete Kalziumkarbonate (Kreide) von lokalen Trinkwasserfirmen enthält. Die beiden Bestandteile sind so konstruiert, dass sie im Recyclingprozess sehr leicht zu trennen sind. Die Rückgewinnung der Faser wird damit nachhaltiger und die Materialien verbleiben im Produktionskreislauf.

Auf den ersten Blick mutet dies eher einem Designprojekt an, das weit entfernt vom Leben der Verbraucher ist. Aber am Ende, wenn die Kreislaufwirtschaft schliesslich als Norm für alle Branchen anerkannt ist und die Verbraucher zu Lieferanten von geschlossenen Systemen und Wirkstoffen bei der Rückgewinnung von Ressourcen werden, ist dies der nächste Schritt eines notwendigen Engagements.

Fazit

Wie bereits eingangs festgestellt, ist es eine ziemlich komplizierte Aufgabe, Gewohnheiten zu ändern und die Gunst der Verbraucher mit nachhaltigen Produkten zu erreichen. Fast alle Studien über Verhaltensänderungen zeigen auf, dass Verbraucher, wenn sie sich in einer Situation befinden und nicht sicher sind, wie sie handeln sollen, auf andere Menschen und die in dieser Situation angewandten Normen schauen werden. Soziale und «gelernte» Normen haben einen starken Einfluss auf das Verhalten und deshalb ist  es mehr als notwendig, an der Bewusstseinsbildung und auch Aufklärung zu arbeiten.

Kommunikation über Nachhaltigkeit erreicht Menschen bisher immer noch un­genügend, weil diese über die beschriebenen Gefahren und geschilderten Katastrophenerzählungen in puncto Klimawandel keine Kenntnis haben. Marken sollten daher einfache und klare Botschaften finden, die Distanzen abbauen und eine (vertraute) Nähe zum Verbraucher schaffen. In positiven Geschichten müssen also Lösungen entwickelt statt nur auf Probleme aufmerksam gemacht werden. Nur so können Verbraucher ihren eigenen Handlungsspielraum erkennen und sich emotional mitreissen lassen.

Porträt