Recht

Sperrfristenschutz

Krankheit kann Kündigungsfrist verlängern

Wird dem Arbeitnehmer gekündigt, so schützt ihn das Gesetz während der verbleibenden Kündigungsfrist besonders. Erkrankt der Arbeitnehmer nämlich in der Kündigungsfrist, so ruht diese während der Krankheit und faktisch verlängert sich die Kündigungsfrist. So kann es vorkommen, dass ein Tag Krankheit reicht, um einen weiteren Monat Lohnzahlung zu erwirken.
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Kündigt der Arbeitgeber einem Mitarbeiter oder einer Mitarbeiterin ganz normal, das heisst unter Einhaltung der Kündigungsfrist und des Kündigungstermins, so steht der Endtermin des Arbeitsverhältnisses erst provisorisch fest. Wird nämlich die gekündigte Person krank oder erleidet sie beispielsweise innerhalb der Kündigungsfrist einen Unfall, so erstreckt sich das Arbeitsverhältnis faktisch um einen oder mehrere Monate. Die entsprechende Gesetzesbestimmung findet sich knapp geregelt in Art. 336c II, III OR. Die konkreten Beispiele und Fragen des Alltags rund um die Sperrfristensachverhalte aber können ganze Bücher füllen. Dieser Aufsatz soll über die wichtigsten Grundsätze Klarheit verschaffen.

Effektive Kündigungsfrist

Unerheblich, um welchen Sperrfristensachverhalt es sich handelt, er ist nur dann relevant, wenn er sich innerhalb der effektiven Kündigungsfrist ereignet. Dieser Grundsatz ist wichtig zu kennen, denn oft wird die Kündigung nicht erst am letzten Tag eines Monats ausgesprochen, sondern schon einige Tage oder allenfalls sogar einige Wochen vorher. Die Kündigungsfrist beginnt aber nicht etwa mit dem Aussprechen der Kündigung zu laufen. Selbst wenn die Kündigung viel früher ausgesprochen wurde als nötig, so beginnt die Kündigungsfrist immer erst rückwirkend ab dem Endtermin gerechnet an zu laufen.

Wurde nun also beispielsweise bei einer vertraglichen Kündigungsfrist von einem Monat am 11. Mai auf Ende Juni eine Kündigung ausgesprochen, so beginnt die Kündigungsfrist tatsächlich erst am 1. Juni zu laufen und nicht etwa schon am 11. Mai. Ist nun also die gekündigte Mitarbeiterin oder der gekündigte Mitarbeiter beispielsweise ab dem 16. Mai für zehn Tage krankgeschrieben und kommt der Mitarbeitende danach wieder zur Arbeit, so hat in diesem Beispiel die Arbeitsverhinderung keine Erstreckung des Arbeitsverhältnisses zur Folge.

Tritt nun aber die Erkrankung am 16. Juni ein und dauert diese zehn Tage, so liegt ein relevanter Sperrfristensachverhalt vor, da diese Absenz innerhalb der tatsächlichen Kündigungsfrist eingetreten ist. Das wiederum bedeutet, dass während der Krankheitstage die Kündigungsfrist ruht, und diese erst mit Arbeitswiederaufnahmen weiterläuft.

Zeitlich begrenzt

Sperrfristensachverhalte gibt es verschiedene. Zur einen Gruppe (Art. 336c I lit.a OR) gehören die Diensterbringungen für das Militär, den Zivilschutz oder den Zivildienst, sofern die Dienstleistung mehr als elf Tage dauert. In solchen Fällen gilt die gesetzliche Sperrfrist vier Wochen vor dem Einsatz und vier Wochen nach dem Einsatz.

Bei der zweiten Gruppe, der unverschuldeten Arbeitsverhinderung infolge Krankheit und Unfall, gilt die Sperrfrist je nach Dienstjahr – nämlich 30 Tage im ersten Dienstjahr, 90 Tage ab dem zweiten bis und mit fünftem Dienstjahr und 180 Tage Sperrfrist ab dem sechsten Dienstjahr. Bei solchen Sachverhalten wird die Kündigung während der Dauer der Arbeitsunfähigkeit unterbrochen, dauert diese aber sehr lange, so setzt die vorerwähnte gesetzliche Sperrfrist die maximale Dauer. Ist nun also ein Mitarbeitender im ersten Dienstjahr in der effektiven Kündigungsfrist während zwei Monaten voll arbeitsunfähig, so wird in diesem Fall die Kündigungsfrist dennoch nur um die maximale Sperrfrist von 30 Tagen erstreckt. Diese zweite Gruppe kommt in der Praxis am häufigsten vor und stellt dem Arbeitgeber die kniffligsten Sperrfristen-Fragestellungen.

Die dritte Gruppe von Sperrfristsachverhalten bildet die Schwangerschaft und Niederkunft einer Mitarbeiterin. Wird beispielsweise eine Mitarbeiterin, die zum Zeitpunkt der Kündigung nicht schwanger war, innerhalb der Kündigungsfrist schwanger, so dauert das Arbeitsverhältnis um die Dauer der Schwangerschaft und nach Niederkunft weitere 16 Wochen fort. Diese Gruppe macht deutlich, dass ein bereits gekündigtes Arbeitsverhältnis unter Umständen noch Monate weiterdauern kann.

Sperrfristen in Folge

Es gilt der Grundsatz, wonach jeder Sachverhalt eine neue Sperrfrist auslöst und die Sperrfrist von Neuem zu laufen beginnt. Dieser Grundsatz gilt nicht, wenn es sich um einen Rückfall handelt. Wenn jemand innerhalb der Kündigungsfrist infolge des gleichen Unfalls zwei- oder mehrmals arbeitsunfähig ist, werden alle Abwesenheiten zusammengerechnet, weshalb die maximale Dauer der Sperrfrist schneller erreicht ist, als wenn jedes Mal eine neue Sperrfrist zu laufen beginnen würde.

Wenn aus verschiedenen Sachverhalten eine Sperrfrist eintritt, also beispielsweise zunächst Krankheit, dann Unfall und schliesslich Schwangerschaft, so löst jeder dieser drei Sachverhalte eine neue Sperrfrist aus. Nach einer Abwesenheit wird der Zeiger also wieder auf null zurückgestellt. Dies ist nach bundesgerichtlicher Rechtsprechung auch bei Krankheit und Unfall der Fall, obwohl das Gesetz diese beiden Gründe in einem Atemzug nennt und die Lehre eigentlich davon ausgeht, dass bei Krankheit und Unfall die Tage zusammengezählt werden. Doch das letzte Wort hat das Bundesgericht, und das hat bislang stets anderes entschieden.

Überlappende Sperrfristen

Nun ist auch denkbar, dass in einer laufenden Sperrfirst eine weitere hinzukommt. Hier gilt, dass die längere der beiden Sperrfristen zählt. Ist also beispielsweise eine Mitarbeiterin verunfallt, löst dies eine Sperrfrist aus, so lange wie die Arbeitsunfähigkeit effektiv dauert, im längsten Fall aber so lange, wie die gemäss ihrem Dienstjahr geltende gesetzliche Höchstdauer der Sperrfrist gilt. Wird die gleiche Mitarbeiterin nun innerhalb dieser unfallbedingten Sperrfrist schwanger, so löst die Schwangerschaft eine neue Sperrfrist aus und letztendlich gilt diejenige Sperrfrist, die länger dauert – in diesem Fall wohl die Schwangerschaft. Es ist also unerheblich, welche Sperrfrist zuerst eintritt, es zählt allein, wie lange die Sperrfrist dauert.

Teilarbeitsunfähigkeit zählt

Die Sperrfrist wird im Übrigen genau gleich ausgelöst, auch wenn es sich nur um eine teilweise Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit oder Unfall handelt. Wenn nun beispielsweise die krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit lediglich 20 Prozent beträgt, so ist die Sperrfrist zu zählen, wie wenn es sich um 100 Prozent Arbeitsunfähigkeit handeln würde. Der Sperrfristenschutz gilt auch dann, wenn der gekündigte Mitarbeitende freigestellt wurde.

Um nicht erst am letzten Tag der Kündigungsfrist von einem Sperrfristensachverhalt «überrascht» zu werden, sollte der Arbeitgeber in seiner Freistellungserklärung darauf hinweisen, dass allfällige Arbeitsunfähigkeiten unverzüglich zu melden und zu belegen sind.

Schliesslich sei noch auf den Fall hingewiesen, in welchem eine Arbeitsunfähigkeit in ein neues Dienstjahr reicht, und das neue Dienstjahr gemäss Gesetz einen längeren Sperrfristenschutz vorsieht. In diesem Fall gilt die längere der beiden Sperrfristen (Beispiel: Arbeitsunfähigkeit beginnt im ersten Dienstjahr und dauert ins zweite hinein; es gilt die Sperrfrist des zweiten Dienstjahres).

Sperrfristenfragen können dann und wann zu rauchenden Köpfen führen. Es gilt, wie so oft, immer den konkreten Einzelfall zu prüfen. Auch sollte man sich als Arbeitgeber der Möglichkeit der Verlängerung des Arbeitsverhältnisses bewusst sein und bereits vor der Kündigung einschätzen, welche Risiken bestehen könnten und allenfalls Alternativen zur Arbeitgeberkündigung prüfen.

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