Das Coronavirus hat unseren Alltag zurzeit fest im Griff. Um das Coronavirus einzudämmen, hat der Bundesrat auf dem Verordnungsweg diverse Massnahmen angeordnet. Die erlassenen Massnahmen zeitigen bereits heute ihre Auswirkungen auf verschiedene Rechtsbereiche, man denke an die Kurzarbeitsentschädigung. Auch das Bau- und Immobilienrecht ist von den Massnahmen des Bundes zur Eindämmung des Coronavirus betroffen.
Vorbemerkungen
Dieser Artikel will diverse Berührungspunkte zwischen der Corona-Krise und dem Bau- und Immobilienrecht aufzeigen. Es werden Themen aus dem Mietrecht, dem Stockwerkeigentumsrecht und dem privaten Baurecht beziehungsweise dem Werkvertragsrecht ausgeführt. Die nachstehenden Ausführungen basieren auf der derzeit mit dem Corona-Virus herrschenden Lage und damit auf der Annahme, dass die Leistungspflicht nur vorübergehend erschwert oder verunmöglicht ist. Sollte die Leistungserfüllung dauernd unmöglich werden, würde die Leistungspflicht erlöschen. Die bereits erbrachten Leistungen wären rückabzuwickeln, ausser wenn die Gefahrentragung bereits auf die andere Partei übergegangen wäre. Schliesslich ist darauf hinzuweisen, dass sich die Folgen der derzeitigen Krise natürlich immer nach den konkreten Vertragsverhältnissen richten. Es ist daher immer zunächst der jeweilige Vertrag inklusive allfälliger allgemeiner Vertragsbestimmungen (AGB) sowie die Anwendbarkeit dieser AGB zu analysieren. Je nachdem ist bereits in den vertraglichen Bestimmungen (inklusive AGB) geregelt, wie bei behördlichen Bestimmungen bzw. bei Fällen von höherer Gewalt mit Einfluss auf die Vertragsausführung vorzugehen ist. Darüber hinaus besteht für diese Situation, wie wir sie zurzeit haben, keine gefestigte Rechtspraxis. Schliesslich ist im Auge zu behalten, dass neue Massnahmen des Bundes die dargestellte Rechtslage jederzeit verändern können.
Zum Mietrecht
Generelles
Am 28. März 2020 ist die Verordnung über die Abfederung der Auswirkungen des Coronavirus im Miet- und Pachtwesen (COVID-19-Verordnung Miete und Pacht) in Kraft getreten. Gemäss vorgenannter Verordnung ist der Ein- und Auszug aus gemieteten oder gepachteten Räumen unter Einhaltung der Empfehlungen des Bundesamtes für Gesundheit betreffend Hygiene und soziale Distanz weiterhin gestattet (Art. 1). Die Zahlungsfrist bei Rückständen mit der Bezahlung von Mietzinsen oder Nebenkosten gemäss Art. 257 d OR, die zwischen dem 13. März 2020 und dem 31. Mai 2020 fällig werden, wurde auf mindestens 90 Tage verlängert, falls der Zahlungsrückstand Folge der Massnahmen des Bundesrates zur Bekämpfung des Coronavirus ist (Art. 2). Diese Regelung gilt analog auch in Bezug auf den Pachtzins (Art. 4). In Abweichung von Art. 266e OR beträgt die Kündigungsfrist bei der Miete von möblierten Zimmern und von gesondert vermieteten Einstellplätzen oder ähnlichen Einrichtungen neu 30 Tage (Art. 3). Ferner ist auf Art. 266g OR hinzuweisen, der mit Blick auf die Auflösung von Mietverhältnissen Hilfe bietet. Art. 266a OR erlaubt es, ein Mietverhältnis aus wichtigen Gründen mit der gesetzlichen Frist auf einen beliebigen Zeitpunkt zu kündigen. Die vermögensrechtlichen Folgen einer solchen Kündigung werden vom Richter bestimmt. Je nach Auswirkungen auf den Mieter könnten die heute herrschenden Verhältnisse ein wichtiger Grund für die Kündigung sein.
Im Speziellen zu den Mietzinsanpassungen
Aufgrund der ausserordentlichen Lage mussten gemäss den geltenden behördlichen Anordnungen Restaurants, Coiffeursalons, Fitnesscenter etc. geschlossen bleiben. Die betroffenen Betriebe üben ihre Tätigkeit in den allermeisten Fällen in gemieteten Geschäftsräumlichkeiten aus und zahlen dafür auch einen Mietzins. Wegen der Geschäftsschliessung generierten diese Betriebe keine oder deutlich geringere Einnahmen.
Diese Betriebe sind auch nach der Lockerung des Lockdowns aufgrund von Schutzmassnahmen weiterhin in der Ausübung ihrer Tätigkeit eingeschränkt, was Auswirkungen auf ihre Einnahmen haben kann.
Es stellt sich nun die Frage, ob diese Betriebe Anspruch auf eine Mietzinsherabsetzung haben. Diesbezüglich wird zurzeit diskutiert, ob die Unmöglichkeit der Raumbenutzung wegen der behördlichen Anordnung als Mangel an der Mietsache, den der Mieter nicht zu verantworten hat, zu beurteilen ist. Dadurch könnte der Mieter insbesondere eine verhältnismässige Herabsetzung des Mietzinses gemäss Art. 259a lit. a und Art. 259d OR verlangen.
Im Mietrecht besteht durchaus die Möglichkeit, dass aufgrund einer behördlichen Anordnung ein Mangel an der Mietsache vorliegt. So zum Beispiel, wenn sich der Vermieter weigert, beim Erhalt der notwendigen behördlichen Bewilligungen mitzuwirken, und deswegen der Mieter einen Restaurationsbetrieb nicht führen kann. In diesem Fall verletzt der Vermieter eine Mitwirkungspflicht, sodass der Mieter das Mietobjekt nicht zum vorausgesetzten Gebrauch verwenden kann. Weil die Ursache der Gebrauchsunfähigkeit diesfalls beim Vermieter liegt, leidet das Mietobjekt an einem Mangel und der Mieter hat Anspruch auf eine Herabsetzung des Mietzinses.
Anders sieht es unseres Erachtens aber im Falle der Schliessung von Betrieben auf behördliche Anordnung hin aus, für die der Vermieter keine (Mit-)Verantwortung trägt – wie zum Beispiel die Massnahmen zur Verhinderung der Ausbreitung des Corona-Virus. Durch die so bedingte behördlich angeordnete Schliessung wird nicht die Tauglichkeit der Sache – des Mietobjektes – zum vorausgesetzten Gebrauch beeinträchtigt oder vermindert; es wurde die Ausübung der Geschäftstätigkeit mit Publikumsverkehr verboten. Wir sind demnach der Ansicht, dass kein Mangel im Sinne des Mietrechts vorliegt und der Mieter daher keinen Anspruch auf die Herabsetzung des Mietzinses gestützt auf Art. 259a lit. a und 259d OR hat.
Im Generellen können wir aber einen Anspruch auf Mietzinsanpassung nicht ausschliessen. Ein solcher Anspruch könnte sich beispielsweis aus der Anwendung der clausula rebus sic stantibus ergeben: Nach dieser vom Bundesgericht auf Art. 2 Abs. 2 ZGB abgestützten Regel hat der Richter einen Vertrag dann zu ändern oder aufzuheben, wenn durch nachträgliche nicht voraussehbare Umstände ein derart offenbares Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung eingetreten ist, dass das Beharren einer Partei auf ihren Anspruch als missbräuchlich erscheint. Falls sich die Parteien nicht auf einen Kompromiss einigen können, könnte die clausula rebus sic stantibus dem angerufenen Richter die Grundlage geben, um den Mietvertrag den Umständen entsprechend anzupassen. Dem Problem der Geschäftsmieten hat sich nun auch das Parlament angenommen. Diesbezüglich bleibt es abzuwarten, ob und welche Lösungen erarbeitet werden.
Zum Stockwerkeigentumsrecht
Aufgrund der behördlichen Anordnungen sind Versammlungen bis auf Weiteres verboten (Stand bei Redaktionsschluss). Dies betrifft auch die Stockwerkeigentümerversammlung. Was geschieht nun mit der Beschlussfassung?
Ist im Stockwerkeigentumsreglement nichts anderes vorgesehen, kann die Gemeinschaft Beschlüsse nur anlässlich der Stockwerkeigentümerversammlung oder auf dem Zirkularweg fassen. Die Beschlussfassung auf dem Zirkularweg setzt Einstimmigkeit voraus, was die Beschlussfassung massiv erschwert. Denkbar wäre es, die Versammlung in Form einer Telefon- oder Videokonferenz abzuhalten. Das dürfte aber nur in kleinen Gemeinschaften möglich sein. Zusätzlich könnten die von einzelnen Stockwerkeigentümern nicht bewältigbaren technischen Herausforderungen das Risiko der Anfechtbarkeit der so gefassten Beschlüsse mit sich bringen.
Gemäss FAQ Coronavirus und Generalversammlungen mit Stand vom 27. April 2020 (www.bj.admin.ch/bj/de/home/aktuell/coronavirus.html; www.bj.admin.ch/dam/data/ejpd/aktuell/news/2020/2020-03-06/faq-gv-d.pdf; besucht am 04. Mai 2020) gelten Stockwerkeigentümergemeinschaften zwar nicht als Gesellschaften im Rechtssinn. Art. 712m Abs. 2 ZGB verweist für die Versammlung der Stockwerkeigentümer jedoch auf die Bestimmungen des Vereinsrechts. Entsprechend findet auch Art. 6b COVID-19-Verordnung 2 Anwendung. Die Verwaltung der Stockwerkeigentümergemeinschaft kann demnach insbesondere anordnen, dass die Stockwerkeigentümer ihr Stimmrecht auf schriftlichem Weg oder in elektronischer Form auszuüben haben – eine gewöhnliche E-Mail ist nicht ausreichend. Die Aufgrund von Art. 6b COVID-19-Verordnung 2 angeordnete Abstimmung auf dem Zirkularweg setzt nicht per se Einstimmigkeit voraus, sondern folgt den reglementarischen und gesetzlichen Quoren betreffend das abzustimmende Geschäft.