Die Rolf Schlagenhauf AG ist ein traditionelles Familienunternehmen, dessen Führung Sie im Jahr 2004 übernommen haben. Herr Schlagenhauf, was machen Sie als Chef anders als Ihre Vorfahren?
Mein Grossvater hatte das Geschäft gegründet und mein Vater baute es weiter aus. Ich repräsentiere nun die dritte Generation. Meine Vorfahren leiteten das Unternehmen eher patriarchalisch, so wie es ihrer Zeit entsprach und damals auch in Ordnung war. Heute würde das so nicht mehr funktionieren. Als Chef spreche ich intensiver mit den Mitarbeitenden als meine Vorfahren und berücksichtige ihre Ideen. Es ist nicht mehr einer da, der anordnet, und die anderen, die marschieren. Das Geschäft wurde schneller und komplexer. Die Verantwortung trage zwar ich, aber ohne qualifizierte Leute könnte ich diese nicht übernehmen.
Wie hat das Unternehmen es geschafft, alle Krisenzeiten zu bewältigen und was kann man in der heutigen problematischen Zeit davon lernen?
Eine richtig heftige Krise habe ich in den 20 Jahren, in denen ich das Unternehmen leite, noch nicht erlebt. Natürlich, es gab Corona und jetzt Lieferengpässe. Von meinen Vorfahren lernte ich, dass starke Werte durch eine Krise tragen und zusätzlich eine gewisse Bescheidenheit. Unsere Firma ist zu 100 Prozent eigenfinanziert. Sicherheit vor Wachstum und unsere Unabhängigkeit helfen uns, schwierige Zeiten zu überstehen. Wir erweitern unser Unternehmen, wenn wir es können. Wenn wir kein Geld für Neuinvestitionen haben, wachsen wir eben nicht – die Bäume wachsen nicht in den Himmel. Schulden sind in vielen Firmen die Ursachen für Probleme. Wichtig sind weiter Wachsamkeit und Agilität, die Fähigkeit, sich anzupassen an veränderte Rahmenbedingungen.
Gibt es schon Nachfolgepläne?
Mit der Nachfolge beschäftige ich mich bereits. Ich bin jetzt 51 Jahre alt, meine Kinder sind noch klein. Ich richte die Firma nicht auf meine Kinder aus und weiss noch nicht, ob es eine vierte Generation Schlagenhauf in der Unternehmensführung gibt. Sicher erwarte ich nicht, dass meine Kinder die Firma übernehmen, wenn sie das nicht wollen oder können. Schwierig würde es, wenn sie die Nachfolge antreten wollten, aber nicht die entsprechenden Fähigkeiten hätten. Ich plane, dass in zehn Jahren qualifizierte Personen das Unternehmen weiterführen. Dann bin ich 61 Jahre alt – falls es nicht funktionieren sollte, bin ich dann noch nicht zu alt, um einen zweiten oder dritten Anlauf zu organisieren. Ich brauche eine starke Geschäftsleitung und einen qualifizierten Verwaltungsrat. Am nachhaltigsten für die Mitarbeitenden ist es, wenn das Unternehmen ohne mich funktioniert.
Was unterscheidet Ihre Produkte und Dienstleistungen von denen der Konkurrenz?
Bei den Endergebnissen, zum Beispiel nach dem Bemalen einer Wand, kann man keinen Unterschied erkennen. Hingegen sind die Organisation und die Prozesssicherheit für die Kunden von Bedeutung. In dieser Beziehung unterscheidet uns einiges von unserer Konkurrenz: Unsere Grösse und die verschiedenen Standorte ermöglichen uns eine hohe Flexibilität. Wir verfügen über verschiedene Handwerker unter einem Dach, Maler, Gipser, Bodenleger usw. – alles, was zu der Ausstattung eines Gebäudes notwendig ist. Wir kennen in unserer Branche keine andere Firma in der Schweiz, die den Kunden so umfassende Dienstleistungen aus einer Hand bieten kann. In unserer Branche gibt es viele Firmen, die kommen und gehen, allenfalls wieder neu gegründet werden. Wir sind interessiert daran, den Kunden Stabilität und Sicherheit anzubieten. Bei der Bewertungsplattform Certiqua haben in den letzten neun Monaten 1400 Kunden unsere Angebote bewertet – mit der Durchschnittsnote von 5,7, wobei die Höchstnote 6 ist. Das zeigt, dass die Kunden zufrieden sind mit uns, aber wir dürfen uns nicht auf diesen Lorbeeren ausruhen.
Sie arbeiten mit der Firma Top Design zusammen, die gerade ihr 20-jähriges Jubiläum feiert. Ist sie eine Tochterfirma?
Top Design gehört seit fünf Jahren zu uns als Tochtergesellschaft und wir arbeiten sehr gut zusammen. Wir haben uns für diese Partnerschaft entschieden, um unser Angebot zu ergänzen und für unsere Kunden Böden, Wände und Decken zu gestalten und dabei auch kreativ zu sein. Das ermöglicht es, unseren Kunden umfassendere Dienstleistungen anzubieten als unsere Konkurrenz.
Wo werden die Fertigprodukte, die Sie liefern oder verarbeiten, hergestellt?
Wir kaufen unsere Produkte ausschliesslich in der Schweiz ein, darauf legen wir Wert. Natürlich gibt es darunter auch Lieferanten, die ihre Waren im Ausland anfertigen lassen.
Spüren Sie die Lieferschwierigkeiten, die sich aus Corona und dem Ukraine-Krieg ergaben?
Ja, diese gab es, zwar nicht bei allen Produkten, aber bei einigen Materialien. Diese waren früher in zwei Tagen lieferbar, heute dauert es einen Monat. Das hat Nachteile, aber auch Vorteile. Längere Lieferfristen zwingen uns dazu, die Arbeitsvorbereitungen früher als sonst zu erledigen und effizienter zu planen. Am meisten Verzögerungen gab es bei Fassadenmaterial, Gips und Holzparketten. Dank den guten Kontakten mit unseren Lieferanten hatten wir trotzdem selten schwerwiegende Probleme.
Wie wirkt sich die Inflation in der Baubranche aus?
Teilweise haben wir Verteuerungen bei bestimmten Materialien von 50 bis sogar über 80 Prozent. Es ist klar, dass das die Verkaufspreise erhöht und die Bauten deswegen teurer werden. Bei anderen Tätigkeiten macht es wenig aus und die Stoffe werden kaum teurer. Der Gesamtpreis für Gebäude ist gestiegen. Deswegen kommt es vor, dass Bauprojekte zurückgestellt werden.
Wie weit ist Ihr Unternehmen digitalisiert, auch im Vergleich mit anderen Branchen?
Im Vergleich mit anderen Unternehmen unserer Branche ist unsere Digitalisierung ziemlich weit fortgeschritten, wir verfügen über Workflow, digitale Ablagesysteme und Führungscockpit. Verglichen mit anderen Branchen, zum Beispiel Dienstleistungen, gibt es aber noch einiges auszubauen. Wir haben vor zwei Jahren unser Projekt «Vision digital» gestartet. Das Ziel ist, alles zu digitalisieren, was den Kunden dient, die Prozess- und Führungssicherheit verbessert und die Effizienz steigert. Geplant ist ein Austausch: Die Kunden sollen auf unsere Systeme zugreifen können und wir auf die Systeme der Kunden. Die Kunden sollen von der Erstanfrage bis zur Abnahme auf ihre Dossiers zugreifen können. Wir haben Anbieter von geeigneten Programmen gesucht und ein Jahr lang die Grundlagen aufgebaut. Nun können wir mit der Umsetzung starten. Aber der Weg zu unseren Zielen ist noch weit – und vor allem, es ist ein Weg, der niemals endet.
Wie setzt sich Ihre Kundschaft zusammen?
Zu unseren Kunden gehören Immobilienfirmen und Unternehmen. Ein wichtiger Teil sind aber auch kleinere Aufträge von Privatkunden, die zum Beispiel Küchen, Böden und Fassaden bearbeiten lassen.
Welche Dienstleistungen sind im Moment am meisten gefragt?
Im Moment gibt es eine starke Nachfrage für alle unsere Dienstleistungen, und es gibt keine Angebote, die spürbar häufiger oder seltener als früher verlangt werden.
Hängt das immer noch mit dem Bauboom zusammen, den es trotz Krise gibt?
Wir haben zwar Aufträge für Neubauten, aber der Hauptteil unserer Tätigkeiten sind Renovationen von bestehenden Gebäuden. Umgezogen wird immer und dann ist oft eine Erneuerung nötig. Auch Fassaden werden alle paar Jahre neugestaltet. So geht uns die Arbeit nicht aus.
Bekommen Sie auch Aufträge, Gebäude aus früheren Jahrhunderten zu renovieren?
Wenn es um ganz alte Gebäude geht, arbeiten wir oft mit dem Denkmalschutz zusammen und versuchen, die Bausubstanz zu erhalten. Letztes Jahr haben wir drei Kirchen saniert in Adliswil, Meilen und Wiesendangen. Das sind Leuchtturmprojekte, es ist der Olymp des Handwerks, in Kirchen arbeiten zu dürfen. Auch unsere Leute fanden das toll.
Heute besteht ja die Tendenz, ältere Häuser abzureissen und moderne Gebäude auf das Grundstück zu bauen, die oft hässlich oder fantasielos sind. Was halten Sie davon?
Ich habe Verständnis für einen Investor, der ein altes Haus teuer erwirbt und es abreisst, um auf derselben Fläche ein grösseres Gebäude zu errichten und damit auch mehr Mieteinnahmen zu bekommen. Aber oft sehen dann alle gleich fantasielos aus. Alte Häuser haben eine Seele und erzählen Geschichten. Für mich bedeutet es Herzblut und Leidenschaft, solche zu erhalten, und wir begleiteten solche Gebäude sogar während Generationen. Das ist etwas Wunderschönes. Beispielsweise haben unsere Lernenden 2021 die älteste Mühle der Schweiz, die Muglin Mall in Sta. Maria, saniert. Dieses Jahr renovierten sie die Bodenhütte des SAC. Solche Projekte machen den Handwerkern und Lehrlingen Freude.