Finanzen & Vorsorge

Vorsorgen und finanzieren IV

KMU als interessante Objekte für Investments

In der europäischen und Schweizer KMU-Landschaft verbergen sich Investment-Kleinode. Diese zu identifizieren und zu gewinnen, ist für Investoren herausfordernd, aber lohnenswert. Wichtig für sie ist vor allem die Überzeugungsarbeit, um KMU-Eigentümerfamilien von den Vorteilen zu überzeugen, externe Investoren an Bord zu nehmen.
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In Europa und in der Schweiz spielen KMU wirtschaftlich eine Schlüsselrolle. Unter ihnen lassen sich zahlreiche «Perlen» finden. Doch der Weg dieser KMU ist steinig. Probleme wie offene Nachfolgeregelungen oder auch Vertriebsschwierigkeiten im Zusammenhang mit der Globalisierung der Absatzmärkte halten KMU zurück. Aufgrund ihrer Grösse und ihres begrenzten Finanzierungsbedarfs (wenige Millionen) sind diese für die «Barbaren» des Private-Equity-Sektors – wie das Magazin «The Economist» sie nennt – nicht interessant: Sie legen den Fokus auf Transaktionen im dreistelligen Millionenbereich und darüber. Angesichts des grossen wirtschaftlichen Potenzials dieser europäischen Perlen ist es unerlässlich, einen Kapitalbeteiligungsansatz aufzubauen, der auf diese KMU abgestimmt ist und die Bedürfnisse der Anleger erfüllen kann. Ziel eines solchen Fonds muss sein, zur Entwicklung eines industriellen und handwerklichen Erbes beizutragen, in dem eine Kultur und ein Know-how der Vortrefflichkeit fortbestehen. In der wachsenden Mittelschicht sind solche Werte zunehmend gefragt.

Anspruchsvolle Suche

Von den 23 Millionen Unternehmen der EU sind 99,8 Prozent KMU, mit weniger als 250 Mitarbeitern. Ein Prozentsatz, der auch die Situation in der Schweiz widerspiegelt. 2015 produzierten KMU annähernd 60 Prozent der gesamtwirtschaftlichen Wertschöpfung und boten fast zwei Drittel der Angestellten des nichtfinanziellen Privatsektors in Europa einen Arbeitsplatz. Rund ein Viertel der europäischen KMU exportiert; davon führten 2015 78 Prozent ihre Produkte in andere EU-Länder und 48 Prozent in Länder ausserhalb der EU aus. In der Schweiz liegt die Exportquote noch höher. Ihre geballte Menge beschäftigt rund 68 Prozent aller Erwerbstätigen. Das Aufspüren von echten Perlen im ständig neu aufgemischten Pool ist indessen anspruchsvoll.

Auswahl-Faktoren

So gilt es zunächst, das Anlageuniversum zu begrenzen. Im Private-Equity-Fonds Mirabaud Living Heritage (MLH) zum Beispiel fiel die Wahl in einer ersten Etappe auf die «Champions des lebendigen Erbes» (siehe hierzu die Box «Stichwort: «Unternehmen des lebendigen Erbes»), die im Segment der persönlichen Verbrauchsgüter (Luxus- und Spitzenprodukte, «Lifestyle»-­Produkte oder Produkte mit hohem kulturellem Gehalt) tätig sind. Diese Unternehmen bieten heute ein starkes Wachstumspotenzial, das auf drei Faktoren beruht.

Das schnelle Wachstum der Bevölkerung stellt den ersten zu berücksichtigenden Aspekt dar. Die Bevölkerungszahlen wachsen und mit ihnen die Mittelschicht, die primäre Zielgruppe für die Produkte vieler KMU ist. Schätzungen zufolge werden 2020 weltweit 400 Millionen Menschen über eine vergleichbare Kaufkraft verfügen wie eine europäische Führungskraft. Der zweite Faktor ist in der Lage des Wirtschaftssektors begründet. Zum einen sind die internationalen Marken bereits hoch bewertet, und zum anderen besteht eindeutig ein Bedürfnis nach einer Alternative zu dem aktuellen Angebot der Giganten des Luxus- und Lifestyle-Segments. Der dritte Faktor ist technologischer Natur: Die digitale Revolution führt zur Erhöhung der Bekanntheit dieser KMU und zur Ausweitung ihres Vertriebsnetzes. Ausserdem wird beim MLH das gewählte Anlageuniversum dadurch begrenzt, dass die potenziellen Kandidaten bestimmte Bedingungen erfüllen müssen. Diese Kriterien sind entscheidend:

  • Die Firma muss seit mindestens 50 Jahren bestehen und von mehreren aufeinanderfolgenden Generationen geführt worden sein; das ist eine Barriere, denn es ist unmöglich, ein Unternehmen mit jahrzehntealtem Know-how neu zu gründen.
  • Die Bindung an einen bestimmten Ort oder eine Region
  • Ein einzigartiges, anerkanntes Know-how.

Auch wenn keine absolute Mindestgrösse festgelegt wird, so setzen die genannten Kriterien doch einen gewissen Umfang voraus. Im Durchschnitt erwirtschaften infrage kommende Firmen mindestens 10 bis 20 Millionen Schweizer Franken. Die einzelnen Engagements variieren zwischen 2 und 10 Millionen Euro und zielen, je nach den Wünschen der Ka­pitaleigen­tümerfamilie, auf eine strate­gische Minderheits- oder eine Mehrheitsposition ab. Das so abgesteckte Anlage­uni­versum umfasst einige Hundert Kandidaten, vor allem in Frankreich, Italien und der Schweiz. «Glücklich lebt, wer verborgen lebt»: Diese Devise gilt auch für handwerkliche KMU, die einer auf kurzfristige Gewinne erpichten Finanzwelt misstrauen. Doch diese Diskretion erschwert Private-Equity-Managern die Suche nach echten Perlen. Eines der besten Mittel, um die Führungskräfte dieser Firmen zu erreichen und ihr Potenzial einzuschätzen, ist es, in ihr Umfeld einzutauchen.

Die Kunst des «Perlentauchers»

Mirabaud greift bei der Identifizierung unentdeckter Investment-Perlen auf Erfahrungen zurück, die im Rahmen der Ausarbeitung der «Dutreil»-Gesetze zur Vereinfachung der Übertragung von Unternehmen (siehe Box: Stichwort: «Dutreil»-Gesetze) gesammelt werden konnten. Ausserdem werden Unternehmen berücksichtigt, die mit dem 2006 ins Leben gerufenen Label «Unternehmen des lebenden Erbes» versehen sind. Wenn es um das «Tauchen nach Perlen» geht, empfiehlt es sich im Allgemeinen, den direkten Kontakt mit einem ausgedehnten und im Mittelstand angesiedelten Netzwerk zu pflegen. Erfahrungsgemäss trägt es Früchte, wenn KMU-Geschäftsführungen direkt angesprochen werden. So können Überbietungspraktiken, die häufig vorkommen, wenn sich M und A-Spezialisten einschalten, vermieden werden. Was den Aspekt des Fortbestands der Unternehmen angeht, sind für Private-Equity-Manager Fachkompetenzen im Bereich des langfristigen Investments unabdingbar. Zudem verschafft die Erfahrung im aktiven Management mit dem Fokus auf Unternehmen mit kleiner und mittlerer Marktkapitalisierung aus der Schweiz und der Europäischen Union einen klaren Vorteil in der Beurteilung von Wert und Potenzial der KMU.

Wurzeln und Globalisierung

Es gilt, die Angst der Familienunternehmen vor «Fremdbeteiligung» zu überwinden und den Willen zu echter Partnerschaft mit den KMU, in die investiert werden soll, zu bekräftigen. Ein möglicher Ansatz, dies zu bewerkstelligen, ist es, ein Gleichgewicht zwischen Verwurzelung in einer bestimmten Region und Globalisierung festzulegen. Ausserdem müssen den Firmen Elemente in den Bereichen Management, Innovation und internationales Wachstum an die Hand gegeben werden, die sie für ihre Expansion benötigen.

Gute Anlagen setzen überzeugte Anleger voraus. Deshalb müssen nicht nur die Anlagen, sondern auch die Investoren sorgfältig ausgewählt werden. Wer gern von einem vielversprechenden Investment zum nächsten wechselt, kommt nicht infrage, denn der Anlagehorizont beträgt acht Jahre.

Was den rein finanziellen Aspekt angeht, so geht der MLH-Fonds von einer jährlichen Rendite von ungefähr 15 Prozent aus, und dank einer «Hurdle Rate»-Regel werden die Anleger bevorzugt bedient. Längerfristig wird der Fonds in rund zehn Unternehmen investieren. Derzeit sind Verhandlungen mit einer sehr alten Schweizer Uhrenmarke sowie einem Akteur der Kosmetikindustrie des Landes im Gange. Die geplante Anlagesumme von 155 Millionen Euro dürfte bald erreicht sein. Weitere neue Private-Equity-Projekte mit Schweizer Unternehmen sind bereits in der Pipeline.