Digitalisierung & Transformation

Kolumne: Chief Digital Community

«Ich kommuniziere noch persönlich»

Die Babyboomers und die Generation Y sind mit unterschiedlicher Prägung aufgewachsen. Dies wirkt sich auf das Kommunikationsverhalten aus, was die Unternehmenskultur beeinflusst. Was tun, um den Modus Vivendi zwischen den Generationen zu finden?
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Das Kommunikationsverhalten der Boom-Generation (geboren bis 1976) und der Generation Y (geboren 1977 – 1999) ist unterschiedlich. Die Unterschiede sind teilweise gravierend. Es ist mir wichtig, dem Thema eine Prämisse voranzustellen: Es geht nicht darum zu beurteilen, ob das Kommunikationsverhalten der Generation Y (im Folgenden Gen Y) besser oder schlechter ist als das der Babyboomer. Es ist einfach anders. Warum ist dies so? Ich möchte dies an meinem Beispiel erläutern. Ich bin 1960 geboren und in der Selbsteinschätzung ein neugieriger und jung gebliebener Angehöriger der Boom-Generation. Wenn ich als Jugendlicher jemanden treffen wollte, musste ich mein Zimmer verlassen. Ansonsten wäre ich vereinsamt.

Wenn ein Angehöriger der Gen Y jemanden kennenlernen will, kann er dies bequem von seinem Zimmer aus tun. Durch Social Media kommt die Welt zu ihm. Es ist einfach und verführerisch, mit jemandem virtuell verbunden zu sein, ohne mit dessen Gefühlen und Emotionen direkt konfrontiert zu werden. Wenn jemand nicht mehr passt, erhält er keine Antwort mehr oder wird aus dem System gelöscht. So ist es einfach, Beziehungen ohne direkte emotionale Beteiligung zu beenden.

Wir können nur führen, wenn wir kommunizieren

Was bedeutet dies nun für ein Unternehmen, wenn die Gen Y mehr und mehr Führungspositionen übernimmt? Wir wissen: Ohne zu führen, ist Kommunikation leicht. Dies geschieht beim Small Talk oder in einer allgemeinen Unterhaltung. Wir wissen jedoch auch: Wir können nur führen, wenn wir auch kommunizieren können. Soziale Kompetenz und emotionale Intelligenz bilden die Basis der Kommunikation. Wir erlernen die Fähigkeit, anderen Menschen mit Empathie, Respekt und Verbindlichkeit zu begegnen. Daraus entwickeln sich dann gegenseitige Akzeptanz und das Vertrauen, auf dem letztlich die Glaubwürdigkeit der Menschen und die Stärke einer Beziehung basieren. Menschen brauchen Wärme, Wertschätzung, Liebe, Lob, Orientierung. Diese Grundbedürfnisse können wir mit dem direkten Kontakt erfüllen, dem Vier-Augen-Gespräch, der vertraulichen Unterhaltung, dem gepflegten Dialog. Die modernen Technologien können uns dabei unterstützen und manche Prozesse und Abläufe erleichtern. Sie ersetzen jedoch nicht den persönlichen Kontakt.

Nun – das ist vornehmlich die Sichtweise der Boom-Generation. Wir sind mit dieser emotionalen und sozialen Prägung aufgewachsen und haben uns vor diesem Hintergrund in die Arbeitswelt integriert und unsere Führungsposition wahrgenommen. Wie präsentiert sich die reale Welt für die Gen Y? Oder anders gefragt: Was ist überhaupt die reale Welt der Gen Y? Zugespitzt könnten wir sagen: Die reale Welt der Gen Y ist in der Wahrnehmung der Babyboomer eine virtuelle Welt. Um die Gen Y besser verstehen zu lernen, sollten die Babyboomer sich mit folgenden Fragen auseinandersetzen:

  • Könnte es für die Gen Y nicht einfach normal sein, dass Emotionen eine viel geringere Bedeutung haben als für die Boomers, gerade weil sie es sich angewöhnt hat, der Konfrontation mit menschlichen Reaktionen und Gefühlen so gut es geht auszuweichen?
  • Wie fühlt sie sich, wenn sie beim Eintritt in die Arbeitswelt den geschützten Raum verlassen muss, wenn plötzlich Resilienz gefragt ist?
  • Woran soll sie sich orientieren, wenn Konflikte auftreten und gelöst werden wollen?

Den Umgang mit Emotionen zu lernen und als reales Mitglied eines Teams zu funktionieren, ist angesichts dieser Voraussetzungen einfacher gesagt als getan beziehungsweise gelernt.

Bis im Jahr 2025 machen Millennials rund 75 Prozent der Mitarbeitenden aus

Vor zehn Jahren habe ich mich bei der Recherche für mein Buch «Warum tote Pferde reiten? Wie uns die Net-Generation zwingt umzusatteln» intensiv mit dem Verhalten der Gen Y auseinandergesetzt. Heute stelle ich fest: Die Gen Y hat sich so verhalten, wie es aufgrund der neuen technologischen Möglichkeiten – das Zimmer als Tor zur Welt – zu erwarten war: Sie hat sich ihre eigene Welt geschaffen, die völlig anders tickt als diejenige ihrer Väter und Mütter. Wenn wir heute über die Kommunikation in einer Welt der Diversity und der Multigenerationalität diskutieren, ist es wichtig, dass wir die unterschiedlichen Prägungen in Betracht ziehen. Fakt ist: Die Millennials werden bis im Jahr 2025 rund 75 Prozent der Mitarbeitenden ausmachen und stellen deshalb eine zunehmend dominierende Kraft in der Arbeitswelt dar. Wie präsentiert sich heute die Realität? Sie wird in einer Studie von Korn Ferry, dem global führenden Personalberatungsunternehmen, gut abgebildet.

Die Befragung von mehr als 1500 Arbeitnehmenden zur Kommunikation zwischen Millennial-Managern und ihren direkt unterstellten Mitarbeitenden zeigt: Die neuen Leader pflegen einen völlig anderen Kommunikationsstil als ihre Vorgänger. Manager der Gen Y fördern zwar Flexibilität am Arbeitsplatz, sind aber gleichzeitig unfähig, direkt zu kommunizieren. 55 Prozent der befragten Millennial-Manager gaben an, dass sie am häufigsten über Online-Messaging mit ihren Mitarbeitenden kommunizieren, gefolgt von E-Mail, das von 28 Prozent als häufigste Form identifiziert wurde. Lediglich 14 Prozent nannten das Vier-Augen-Gespräch als bevorzugten Kommunikationsweg. Abgeschlagen mit drei Prozent folgt die Kommunikation via Telefon. Die Art und Weise, wie die Vorgesetzten mit ihren Mitarbeitenden kommunizieren, hat enorme Auswirkungen auf die Unternehmenskultur. Die Kommunikation von Angesicht zu Angesicht ist notwendig, um eine integrative Unternehmenskultur aufzubauen. So verwunderte es nicht, dass jeder dritte Mitarbeitende forderte, dass Millennial-Manager persönlicher kommunizieren – und damit persönlicher führen – sollten.

Die dynamische Kultur der Gen Y nutzen

Viele Studien belegen: Wenn sich die Gen Y ernstgenommen fühlt, ist sie engagiert. Sie bringt frischen Wind in eine Organisation. Sie schätzt offenes, konstruktives Feedback und eine transparente Kommunikation. Gerade deshalb ist es wichtig, dass diejenigen Millennials, welche Millennials führen, nicht nur die Technologie nutzen, sondern auch auf die soziale Kompetenz setzen. Empathie, Vertrauen und Wertschätzung entstehen durch den direkten Dialog, nicht über Facebook, Instagram, Snapchat und Twitter.

Unternehmen, welche die besten und intelligentesten Köpfe der Gen Y finden, binden und halten möchten, sollten deshalb besonderen Wert auf die persönliche Kommunikation zwischen Führungskräften und Mitarbeitenden legen. Dies heisst konkret: die dynamische Kultur der Millennials nutzen, das gegenseitige Verständnis fördern, neue Arbeitsmodelle ernsthaft prüfen und offen sein für Neuerungen, auch wenn sie nicht aus der eigenen Küche stammen. Dazu gehört auch das Verständnis, dass es für die Schaffung eines Modus Vivendi zwischen den verschiedenen Generationen keine Patentrezepte gibt. Es braucht individuelle und firmenspezifische Lösungen, die gemeinsam gesucht, gefunden und eingeführt werden sollten. Allen Unterschieden zum Trotz: Die Chancen der Multigenerationalität sind «low-hanging fruits», wenn es gelingt, die unterschiedlichen Prägungen und Qualitäten der Generationen zu verstehen, zu akzeptieren, zu bündeln und zu nutzen.