Die aktuellen Umweltbedingungen stellen eine enorme Herausforderung für Unternehmen und Organisationen dar. Sie verändern die moderne Geschäftswelt und führen dazu, dass eine Fülle von neuen Anforderungen bewältigt werden muss. Dies betrifft auch – und vor allem – den Bereich der Strategieplanung. Lehre und Praxis gingen lange Zeit davon aus, dass strategische Planung auf stabile Bedingungen angewiesen sei. Diese sind aktuell inexistent.
Strategieplanung neu denken
Globale Pandemien, geopolitische Instabilität, stagnierendes Wirtschaftswachstum und kulturelle Veränderungen verunmöglichen eine langfristige Unternehmensplanung. Bennett und Lemoine (2014) stellen fest, dass viele Führungskräfte und Experten unter derart unstabilen Bedingungen die strategische Planung als blosse «Übungen» ansehen würden. Sie argumentieren, dass die aktuell vorherrschende, weltweite Multi-Problemlage alle Bemühungen, die Zukunft zu verstehen und Antworten darauf zu planen, nutzlos machen würden.
Noch eine weitere, bestehende Lehrmeinung muss in Frage gestellt werden. Bislang galt die allgemeine Doktrin, dass ausschliesslich das Top-Management für die Strategiegestaltung zuständig sei und dass es sich dabei um einen hochvertraulichen Prozess handle. Plakativ ausgedrückt wurde die Strategie durch die oberste Hierarchie hinter verschlossenen Türen gestaltet und dann zur Umsetzung an das dafür verantwortliche Management gereicht. Auch diese Vorgehensweise scheint nicht kompatibel mit den aktuellen Rahmenbedingungen zu sein.
Thode und Wistuba (2019) empfehlen, dass sich Organisationen bei der Strategieentwicklung den aktuellen Rahmenbedingungen anzupassen hätten und dass entsprechend passende Vorgehensweisen anzuwenden seien. Dies bedeutet, dass der Strategiebildungsprozess einerseits flexibler werden und andererseits mehr interne und externe Expertise in den Prozess einfliessen soll. Und dies unabhängig von der Hierarchie.
Moderne Strategieplanung sollte also den vorherrschenden Rahmenbedingungen angepasst sein und agiler, offener und partizipativer durchgeführt werden. Dies sind die Kernelemente von Open Strategy.
Die Open Strategy
Liinamaa et al. (2004) benannten erste Ansätze von Open Strategy. Die Autoren fokussieren sich in ihrem Artikel primär auf die Verwendung von geeigneten IT-Tools, welche multinational tätigen Unternehmen für die Strategieplanung im Sinne eines «Collaborative Strategic Planning» behilflich sein sollen. Liinamaa et al. weisen allerdings auch darauf hin, dass zeitgemässe Strategieplanung nicht allein die Aufgabe des Topmanagements sein solle, und erwähnen die Notwendigkeit einer adaptiven Strategieplanung in einem möglichst gut diversifizierten Team.
Whittington et al. (2011) waren es dann, welche erstmals die Kernelemente von Open Strategy konkret bezeichneten: Transparenz und Partizipation. Die Vorteile einer Öffnung der Strategieplanung liegt darin, dass im Sinne der Partizipation alle internen und externen Stakeholder bei der Strategieentwicklung miteinbezogen werden. Dabei kann es sich um Mitarbeitende aller hierarchischen Stufen, Kunden, Lieferanten sowie externen Experten handeln. Dies führt dazu, dass das kreative Potenzial aller Stakeholder einer Organisation ausgeschöpft werden kann.
Zudem führt die Partizipation dazu, dass strategische Entscheidungen, welche auf diesem Weg gefällt werden, mehr Rückhalt und Akzeptanz bei der Implementierung haben. Die Dimension Transparenz führt dazu, dass die Strategie transparent nach aussen getragen wird, was wiederum ein Feedback der Umwelt ermöglicht und somit Entwicklungspotenziale erkannt werden können.
Es gibt unterschiedliche Formen und Abstufungen von Offenheit und Transparenz. Diese betreffen sowohl Ausprägungsart und Ausprägungsintensität. Abbildung 1 zeigt dies grafisch auf. Beachtet werden sollte, dass sich Grad und Form der Offenheit im Zeitverlauf der Strategieentwicklung verändern können. So kann beispielsweise zu Beginn des Strategieprojekts eine sehr hohe Offenheit an den Tag gelegt werden, welche dann im Verlauf des Projekts reduziert wird. Mit diesem Vorgehen ist sichergestellt, dass auch die Anforderungen an die Vertraulichkeit gewahrt werden können.