Strategische Zukunftsfähigkeit in Zeiten der Digitalisierung

Veränderungen im Wettbewerbsumfeld

Insbesondere die Erwartungen der Kunden haben sich laut der Interviewten im Rahmen der zunehmenden Digitalisierung erheblich verändert. Das Internet böte übersichtliche Vergleichsmöglichkeiten. Zudem seien durch diverse Online-Marktplätze Produkte und Dienstleistungen jederzeit erhältlich. Kunden erwarteten daher eine schnelle und umfangreiche Verfügbarkeit zu niedrigen Preisen. Parallel habe der Wettbewerbsdruck durch wachsende Konkurrenz, Nachahmung und Verdrängung rasant zugenommen. Eine allgemeine «Amazonisierung» der Wirtschaft und Gesellschaft wird befürchtet – das heisst, eine Konzentration des Wettbewerbs, in der ein paar wenige ­ressourcenstarke globale Big-Tech-Un­ternehmen die Märkte dominieren.

Einsatz neuer, digitaler Technologien

Interesse und Offenheit für neue, digitale Innovationen sind bei den KMU grundsätzlich vorhanden – auch wenn häufig noch unklar ist, wie sich anspruchsvolle Technologien (zum Beispiel Künstliche Intelligenz) sinnvoll einsetzen liessen. Dabei hängt der aktuelle Digitalisierungsgrad im Unternehmen in der Regel von der Branche und Unternehmensgrös­se ab. Zudem sind die Funktionsbereiche in den Unternehmen (zum Beispiel Produktion, Marketing, Vertrieb) unterschiedlich digitalisiert. Während sich im Marketing und Vertrieb digitale Technologien bereits etabliert haben und auch administrative Prozesse zunehmend digitalisiert werden, sind Produktionsprozesse mitunter noch wenig digital automatisiert. Der Grund hierfür liege laut der Interviewten an den vergleichsweise niedrigen Stückzahlen.

Entwicklung digitaler Kompetenzen

Der Einsatz neuer, digitaler Technologien bedeutet für die Unternehmen auch die Entwicklung neuer individueller und organisationaler Kompetenzen. Neue Stellen werden geschaffen, deren Aufgaben sich dezidiert auf Innovationen und digitale Technologien beziehen (zum Beispiel Innovationsmanager, Social Media Manager). Für die Digitalisierung von Prozessen und Produkten fehlt es den Unternehmen jedoch oft an qualifizierten Mitarbeitern. Fachkräfte seien lokal oder regional schwer zu finden (zum Beispiel Ingenieure und IT-Spezialisten). Neue Mitarbeiter, die sich mit den jeweils aktuellen, digitalen Technologien auskennen, seien zudem häufig jünger als die Kernbelegschaft. Unterschiede in den Einstellungen bezüglich der Arbeitsbedingungen (zum Beispiel Homeoffice, Flexibilität, Work-Life-Balance) würden nicht selten Generationenkonflikte provozieren, die von den Führungskräften moderiert werden müssten. Für die Unternehmen stellt sich daher die Frage, wie sie die Erfahrungen des bestehenden Mitarbeiterstamms mit den neuen Kenntnissen und Methoden der jüngeren Mitarbeiter zusammenbringen können.

Neue Anforderungen an das Leadership

Den Führungskräften in den KMU kommt bei der Gestaltung der Veränderungsprozesse im Rahmen der digitalen Transformation eine wichtige Rolle zu. Sie ­haben die Aufgabe, die für den Einsatz der neuen Technologien erforderlichen Lernprozesse in der Organisation zu initiieren und zu begleiten und entsprechende Rahmenbedingungen zu schaffen. Dabei müssen sie einen guten Ausgleich zwischen «Experimentieren mit Innovationen» und «Sicherstellen des wirtschaftlichen Erfolgs» finden. Dieses beidhändige Vorgehen, das die einschlägige Fachliteratur als organisationale Ambidextrie bezeichnet, wird von den Entscheidungsträgern häufig intuitiv ein­gesetzt, um die Innovationstätigkeit im Unternehmen zu organisieren.

Schliesslich stellen das Tempo der digi­talen Transformationsprozesse und die Technologieunsicherheit Entscheidungsträger vor grosse Herausforderungen. Die Geschwindigkeit, mit der sich neue, di­gitale Technologien verbreiten und die Märkte verändern, wird als sehr hoch wahrgenommen. Gleichzeitig lassen sich die Entwicklungen und ihre Anwendungs­möglichkeiten häufig schwer prognostizieren. Hypes und Blasen entstünden um manche Technologien, die sich aber langfristig nicht etablierten. Diese Komple­xität und Unsicherheit stelle KMU mit ihren ohnehin begrenzten Ressourcen vor enorme Herausfor­derungen.

Fazit

Die digitalen Innovations- und Transformationsprozesse in Wirtschaft und Gesellschaft führen zu vielfältigen strate­gischen Herausforderungen, denen sich Unternehmen stellen müssen. Diese verlangen oftmals einen radikalen Perspektivwechsel von KMU. Den Unternehmen fällt es jedoch nicht immer leicht, alte Entwicklungspfade zu verlassen. Oftmals behindern eine einseitige Fokussierung auf bestehende Kompetenzen und vergangener Erfolg (Erfolgsfalle) sowie die eingeschränkte Ressourcenverfügbarkeit die Wandlungsfähigkeit von Unternehmen. Dieser Artikel hat die verschiedenen strategischen Herausforderungen beschrieben, mit denen KMU aktuell konfrontiert sind.

Die digitale Transformation ist aber nicht nur mit Herausforderungen und Bedrohungen verbunden, sondern die Tech­nologien bieten Unternehmen auch viele Chancen und Möglichkeiten. Wenn es Entscheidungsträgern gelingt, ihre Gestaltungsrolle bewusst wahrzunehmen und entsprechende strategische Veränderungsprozesse einzuleiten, können KMU diese Möglichkeiten gut für sich nutzen.