Ein Unternehmen funktioniert nach anderen Regeln und Prinzipien als eine Beziehung. Sowohl die Beziehungs- und Familienwelt als auch die Unternehmenswelt haben ihre ganz eigenen Kommunikations- und Verhaltensweisen. Die Balance zwischen diesen beiden Welten zu finden, kann eine Bereicherung sein sowohl für die Beziehungspartner als auch für das Unternehmen. Auf dem Weg dahin bewältigen Unternehmerpaare jeden Tag kleinere und auch grössere Herausforderungen, die von aussen häufig nicht so schnell erkannt werden.
Über dem Durchschnitt
Ein erfolgreich funktionierendes Partnerschaftstandem ist für das Unternehmen eine grosse Chance. Auf der einen Seite entsteht ein finanzieller Mehrwert, denn ein Unternehmerpaar ist überdurchschnittlich engagiert und motiviert und leistet in der Regel auch quantitativ gesehen einen überdurchschnittlichen Arbeitseinsatz. Die volkswirtschaftliche Bedeutung von Unternehmerpaaren ist sehr beachtlich.
Auf der anderen Seite bestehen aber auch beträchtliche Risiken: Wenn die Beziehung im Laufe der Zeit nicht mehr gut funktioniert oder gar zu scheitern droht, kann die Existenz des Unternehmens gefährdet sein. Weiter bringt die gemeinsame Arbeit eine gegenseitige Abhängigkeit mit sich und bildet ein sogenanntes «Klumpenrisiko». Je nach Grösse und Organisation des Unternehmens kann bereits ein kurzfristiger Ausfall des einen Partners zu erheblichen Schwierigkeiten führen.
Die Beziehungsdynamik erfordert daher ein besonderes Augenmerk. Die folgenden Ausführungen beleuchten diese Aspekte. Die Erkenntnisse basieren auf einer explorativen Studie, welche im Jahre 2010 mit 15 Unternehmerpaaren durchgeführt wurde.
Chancen und Ressourcen
Durch das gemeinsame «Zusammen-leben-und-arbeiten» entstehen zahlreiche positive Aspekte. Als Erstes bildet die Arbeit eine elementare und verbindende Beziehungskomponente. Das Verfolgen der gleichen Zielrichtung ist ein Stimulans und gleichzeitig eine unabdingbare Voraussetzung, die zum Erfolg der Beziehung beiträgt. Die Partner können sich intensiv über gemeinsam Erlebtes aussprechen. Sie sprechen die gleiche Sprache und verstehen einander ohne Worte. Das Schaffen und (Vor-)Leben von gemeinsamen Werten, Zielen und Einstellungen hat eine Schutzfunktion und hilft dem Paar, mit Problemen und Konflikten besser umzugehen; es trägt überdies dazu bei, dass das Paar längerfristig an der Beziehung festhält.
Weiter kann die Bürde der Verantwortung auf vier statt auf zwei Schultern verteilt werden. Gerade in herausfordernden Situationen können sich die Beziehungspartner gegenseitig stützen und motivieren. Dies fördert auf der einen Seite die gegenseitige Verlässlichkeit und Loyalität. Auf der anderen Seite führt dies zu einem positiven Beziehungsklima, welches geprägt ist von Zweisamkeit, Geborgenheit, Vertrauen und Sicherheit. Und dies wiederum trägt zur Steigerung des persönlichen Wohlbefindens bei.
Eine dritte Chance bzw. Ressource bildet die gegenseitige fachliche und persönliche Weiterentwicklung. Mann und Frau lernen durch das «Zusammen-leben-und-arbeiten» voneinander. Bei manchen Paaren entwickelt sich sogar eine gesunde berufliche Konkurrenz. Sie spornen sich gegenseitig an und sie möchten beide in ihrem Fachgebiet sehr gute Leistungen vollbringen. Die Beziehungspartner stehen einander ganz nah in unterschiedlichen Rollen, was eine gewisse Anziehungskraft ausübt, was wiederum die Beziehung lebendig erhält.
Und zuletzt: Kinder von Unternehmerpaaren erhalten die Gelegenheit, von klein auf die Berufswelt der Eltern relativ nah mitzuerleben. Die Auseinandersetzung mit der jeweiligen Branche und mit dem Berufsbild kann für Kinder bereichernd sein und zu einem grösseren Verständnis für das berufliche Engagement der Eltern führen.
Tägliche Herausforderungen
Eine erste Herausforderung für die Partnerschaft ist der Umgang mit der Verschmelzung der beiden Lebenswelten: Die Paare verbringen sehr viel Zeit im Betrieb. Sie sind in den meisten Fällen fast immer erreichbar für die Mitarbeitenden und haben ständig das Geschäft vor Augen, insbesondere natürlich dann, wenn sich der Wohnort in der Nähe des Arbeitsortes befindet. Dies führt zu durchlässigen Grenzen zwischen der Privat- und der Arbeitssphäre. Die Entkoppelung von Liebe und Arbeit im Beziehungsalltag gleicht dann einem Balanceakt. Nach einem Streit bei der Arbeit etwa ist es nicht einfach, Nähe und Zärtlichkeit zulassen zu können. Erschwerend wirkt dabei der Umstand, dass Kunden oder Mitarbeitende unmittelbar am Privat- und Berufsleben teilhaben können. Das Paar muss herausfinden, wie die Grenze zwischen Berufs- und Privatsphäre gezogen werden kann. Eine private Rückzugsinsel muss sichergestellt werden und die eigene Persönlichkeit soll möglichst authentisch im Alltag gelebt werden dürfen bzw. gelebt werden können.
Ein zweiter belastender Aspekt ist der Faktor Zeit, sei es als Mangel an Zeit für sich selber, für Freunde und Verwandte, sei es als Mangel an Zeit für das Paar-Sein. Die Arbeit ist sehr zentral und die freie Zeit muss häufig mit Rücksicht auf die aktuellen Gegebenheiten im Unternehmen sehr gut geplant und organisiert werden. Das hohe Engagement kann Lustlosigkeit und Müdigkeit zur Folge haben. Das Paar ist der Gefahr ausgesetzt, durch den Rhythmus des Unternehmens in einen Teufelskreis zu geraten. Es wird kaum Zeit und Raum für die Erholung eingeplant, und die Lust, etwas zu unternehmen oder einmal auszubrechen, flaut im Laufe der Zeit ab. Kleine Rituale im Alltag oder institutionalisierte freie Tage tragen meist zur Aufrechterhaltung des Paarklimas bei.
Eine dritte Herausforderung im Beziehungsalltag stellt die Frage der Vereinbarkeit von Familie und Beruf dar. Die Allein- bzw. die Hauptverantwortung für die Kinderbetreuung und -erziehung lastet in den meisten Fällen auf den Schultern der Frau. Dies ist auch dann der Fall, wenn der Mann Anteil nimmt und für die Frau und für die Kinder emotional da ist. Aufgrund ihrer Führungsfunktion sind die Frauen zwar flexibel bei der Arbeitseinsatzplanung, die Arbeitsintensität lässt jedoch häufig lediglich kurze Arbeitsunterbrechungen zu. Sie sehen sich mit einem schlechten Gewissen konfrontiert, sind zwischen Unternehmen und Zuhause hin- und hergerissen und möchten beide Aufgaben erfolgreich bewältigen. Durch die Doppelbelastung verfügen sie über zu wenig Ressourcen für sich selber, für ihren (Ehe-)Partner oder für die Weiterentwicklung ihrer beruflichen Karriere.