Entscheidungsprozesse auf dem Weg zum Generationenwechsel

Bis Ende des Jahres absolviert Simone Ruckli eine CEO-Lehre in der Firma ihres Vaters. Insgesamt drei Jahre dauert die Ausbildung, die sie auf die Übernahme der Geschäftsleitung von Markus Flühmann in seinem Unternehmen vorbereiten soll. Simone Ruckli ist dazu seit Anfang 2010 in der Firma angestellt, hat bisher Einblicke in fast jede Abteilung erhalten und Wissen über jeden Aspekt des Tagesgeschäfts generiert. Und doch ist eines noch nicht zu hundert Prozent klar: Ob sie die Nachfolge ihres Vaters auch tatsächlich antreten wird. Das «KMU-Magazin» begleitet sie auf ihrem Entscheidungsweg und berichtet darüber in loser Folge (siehe auch «KMU-Magazin», Ausgabe 2/12, Seite 10 ff.).

«Die CEO-Lehre absolviere ich, weil ich es mir sehr gut vorstellen kann, die Markus Flühmann AG eines Tages zu leiten», sagt Simone Ruckli. «Meine Lehre hier ist ein Prozess, während dem ich dafür und dawider abwägen und letztendlich eine gefestigte Entscheidung fällen kann.» Für ihren Vater wäre es die ideale Lösung, wenn seine Tochter eines Tages das Geschäft übernimmt. Er lässt ihr aber nach wie vor bis zum Ende der Lehre Zeit zu entscheiden, ob sie diesen Schritt wagen will. Ob sie die Abmachung, seine Nachfolge im Zeitraum zwischen 2017 und 2019 anzutreten, wirklich eingehen will.

Vertiefter Einblick

Bis es so weit ist, lernt die 27-Jährige weiterhin alle Facetten des Logistikunternehmens im aargauischen Merenschwand kennen. «Dieses Jahr befasse ich mich vertieft mit der Buchhaltung und werde mit meinem Vater die Quartalsabschlüsse machen.» Nachdem sich Simone Ruckli bereits mit der Kundenbetreuung, dem Lager, dem Vertrieb und Themen wie Social Media beschäftigt hat, kommt nun noch dieser Aspekt der Ausbildung hinzu. «Danach kenne ich alle wichtigen Bestandteile der
Firma.»

Ihr Vater hat die Markus Flühmann AG 1983 gegründet und damit eine Pionierleistung in der Reisebranche vollbracht. Die Firma lagert, sortiert und verschickt druckfrische Prospekte von fast allen Schweizer Ferienveranstaltern. Eine Dienstleistung, die zuvor von jedem Unternehmen selbstständig ausgeführt wurde und zu einem logistischen Albtraum führte. Bereits vor zehn Jahren lancierte Markus Flühmann zudem eine Zusammenarbeit mit einer Schweizer Grossbank. Weitere Kunden wie Emmi und Shell haben die Liste ergänzt. Heute trägt die Reisebranche noch etwa 45 Prozent zum Firmenumsatz von elf Millionen Franken bei.

Spürbare Verpflichtung

«Ich bin sehr stolz darauf, was mein Vater geschaffen hat», sagt Simone Ruckli. Einen Druck, die Nachfolge antreten zu müssen, habe sie von ihm aber bis heute nicht gespürt. «Seit ich aber hier arbeite, verspüre ich dennoch eine gewisse Verpflichtung gegenüber dem Unternehmen.» Sie fände es genauso bedauerlich wie ihr Vater selbst, sollte die Firma eines Tages verkauft werden. Tritt Simone Ruckli die Nachfolge von Markus Flühmann nicht an, wäre dies nämlich eine mögliche Konsequenz. «Aber auch diesbezüglich verspüre ich keinen Druck. Im Gegenteil: Mein Vater erwähnte auch schon die Möglichkeit, dass ich hier weiterarbeiten könnte, auch ohne Geschäftsführerin zu werden.»

Führungsstil finden

Dazu wird es aber aller Wahrscheinlichkeit nach nicht kommen, denn je länger Simone Ruckli im Logistikunternehmen arbeitet, je mehr Erfahrungen sie sammelt, umso wohler fühlt sie sich. Wie sie als CEO agieren würde, davon hat sie bis jetzt nur eine ungefähre Vorstellung. «Ich sehe ein Bild vor mir, wie ich mich gegenüber meinen Mitarbeitern, die dann ja meine Angestellten wären, verhalten will.» Dabei orientiert sie sich nur teilweise am Führungsstil ihres Vaters. «Ich konnte ihn nun während zwei Jahren beobachten und bewundere sehr, wie ehrgeizig er ist. Er hat die Markus Flühmann AG über all die Jahre aufgebaut und kämpft nach wie vor für sie. Sie ist sprichwörtlich in sein Fleisch und Blut übergegangen.» Kein Wunder, steht doch auch sein Name draussen am Gebäude. Ihren Führungsstil müsse sie selbst aber noch finden.

Nach wie vor sucht sie regelmässig Rat bei ihrem Vater. «Am Anfang meiner Zeit hier haben ich mit ihm oft über grundsätzliche Dinge gesprochen, welche die Zukunft der Firma betreffen. Mittlerweile sind es aber vor allem Gesprächspunkte, die das Tagesgeschäft betreffen.» Auch mit ihrem Ehemann habe sie öfters über ihre Ausbildung und die damit verbundene Entscheidung gesprochen, sich bei ihm Rat geholt, wie sie mit gewissen Situationen umgehen soll. «Das tue ich noch immer, aber nicht mehr ganz so oft wie in den letzten beiden Jahren. Es gibt heute weniger Situationen, in denen ein guter Rat dringend benötigt wird.» Trotzdem hat sie immer ein offenes Ohr dafür. Bezüglich der Nachfolgefrage werde ihre Entscheidung aber in den kommenden Monaten wohl einfach weiterhin gefestigt. «Auf einen Showdown am Tag X wird es also nicht hinauslaufen.»

Erwartungen erfüllt

Ob ihr die Arbeit Spass macht, diese Frage kann sie bereits heute mit einem deutlichen Ja beantworten. Ob sie den nötigen Biss habe, die Frage stellt sie sich noch immer. Aber Simone Ruckli ist sich jetzt schon sicher, dass der Posten als Geschäftsführerin in mancher Hinsicht ihren Idealvorstellungen eines Jobs entsprechen: «Ich will vor allem eine Arbeit ausüben, auf die ich stolz sein kann. Sie soll auch abwechslungsreich sein und mir Kontakt zu vielen Leuten verschaffen. Aber am wichtigsten ist es mir, voll und ganz hinter meiner Firma stehen zu können.»

Offiziell wird Simone Ruckli ihre Entscheidung am Ende des Jahres bekannt geben, auch wenn schon vieles auf einen Entscheid für die Markus Flühmann AG deutet. «Ich bin ein planender Mensch und ganz froh, wenn ich weiss, wie die Dinge laufen. Ich mag es auch, wenn sich eine gewisse Regelmässigkeit einspielt, denn eine unerwartete Herausforderung wird diese Regelmässigkeit sicher früh genug brechen.» In der Firma ihres Vaters werden diese Ansprüche, die sie an ihre Arbeit hat, so weit erfüllt. Ihrer Entscheidung sieht Simone Ruckli deshalb gelassen entgegen.

Simone Ruckli* über …

… Entscheidungen: «Ich fälle Entscheidungen mit dem Kopf, aber auch aus dem Bauch heraus. Es ist ein Mix. Wenn ich bei einer Sache aber schon mal kein gutes Bauchgefühl habe, wird es schwierig, dass sich mein Kopf dann doch noch dazu durchringt. Mein Bauchgefühl hat mich noch nie im Stich gelassen. Bei meinen Entscheidungen wird also immer dieser Soft-Faktor mitspielen.»

… Familie: «Seit bald zwei Jahren bin ich verheiratet und möchte auch Kinder haben. Damit ich für meine Familie die entsprechende Zeit aufbringen kann, ist es für mich vorstellbar, dass ich die Geschäftsleitung in einem 80-Prozent-Pensum ausüben würde. Ich meine damit primär die Präsenzzeit im Büro. Zu Hause kann ich sehr wohl noch an der einen oder anderen Sache arbeiten. Wenn man einen Familienbetrieb hat, gelten nicht dieselben Arbeitszeiten wie an anderen Orten, dem bin ich mir sehr bewusst. Es ist eine Organisationsfrage. Sollte ich die CEO-Stelle übernehmen, bleibt mein Vater zudem noch ein paar Jahre in der Firma und wir werden uns entsprechend arrangieren. Er hat auch schon angeboten, seine Enkelkinder zu hüten.»

… Heimat: «Eigentlich bin ich nicht so ein heimatbezogener Mensch, verspürte aber auch nie das grosse Reissen, in die Welt hinaus zu ziehen. Ich bin hier auf dem Land aufgewachsen, lebe nun aber in Zürich und habe mir ein schönes und angenehmes Umfeld geschaffen. Sollte ich mich für den Job als Nachfolgerin meines Vaters entscheiden, wäre ich meiner Heimat sicher wieder mehr verbunden.»

* Simone Ruckli-Flühmann arbeitet als Kundenbetreuerin in der Markus Flühmann AG, dem Unternehmen ihres Vaters, und wird dort zu dessen Nachfolgerin ausgebildet.