Kardinalfehler 1: Video- und Online-Beratung ade
Die gröbste Todsünde besteht darin, auf die Video- und Online-Beratung (VOB) zu verzichten. Denn mittlerweile hat sie nicht nur – wie in den Anfangsjahren – im Bereich der Finanzdienstleistungen und Versicherungen und im B2C-Bereich ihre Daseinsberechtigung. Nein: «VOB goes B2B.» Überall dort, wo es um die Beratung und den Verkauf erklärungsbedürftiger Produkte und Dienstleistungen geht, sollte die VOB zum Einsatz gelangen – konkret: Ein Unternehmen verkauft weltweit Industrieanlagen. Statt die Mitarbeiter durch die Welt zu schicken, erfolgen Beratung und Verkauf in der Kommunikation von PC-Bildschirm zu PC-Bildschirm. Während des Telefonats loggt sich der Kunde mithilfe einer Konferenz- und Präsentationssoftware auf der Firmen-Homepage ein.
Der Berater startet die Online-Beratung – was folgt, ist authentische Beratung pur: Der Berater erläutert am Bildschirm die Funktionsweise der Anlage, besucht gemeinsam mit dem Kunden Homepages mit weiteren nutzenwerten Informationen, sieht sich mit ihm einen Videofilm zur Funktionsweise der Anlage an, lädt vorbereitete Präsentationsfolien hoch, erstellt mit dem virtuellen Notizblock und dem Eingabestift eine Bestandsanalyse, erläutert die Vor- und Nachteile der Anschaffung und konzipiert einen ersten Finanzierungsplan. Es ist, als ob Kunde und Berater im Büro beisammensässen, obwohl sie Hunderte von Kilometern entfernt voneinander sind. Die Kommunikation erfolgt in Echtzeit – per Bildschirm, Webcam, Tastatur und Telefon.
Kardinalfehler 2: Emotionslos-anonyme Beratung
Die Video- und Online-Beratung schliesst den Face-to-Face-Kontakt nicht aus. Aber der Berater würde erst dann von Zürich nach Hamburg, in die USA oder Asien fliegen, wenn mithilfe der VOB das Interesse des Kunden an der Anlage geklärt wäre und entscheidende Fragen bereits beantwortet wären. Umgekehrt gilt: Kunde und Berater müssten nicht erst vor Ort feststellen, dass es nicht passt, die Anlage zum Beispiel nicht die richtige für den Kunden ist. Ein erheblicher Teil der Akquisitions- und Reisekosten könnte eingespart werden, von dem Zeitfaktor ganz zu schweigen.
Voraussetzung ist allerdings, dass es dem Berater gelingt, selbst über die Distanz und die Ferne eine vertrauensvolle Beziehung zum VOB-Partner aufzubauen. Bei der VOB besteht das Risiko, dass der Kontakt zu anonym bleibt und der emotionale Funken nicht überspringen will. Darum genügt es nicht, als Berater über Topkompetenzen in der Beratung und des Verkaufs zu verfügen. Eine dezidierte VOB-Kompetenz muss hinzukommen.
Die Unternehmensleitung sollte dafür Sorge tragen, dass die Berater jene Kompetenzen erwerben und in der Lage sind, eine emotionale Beziehung und ein Vertrauensverhältnis zum Kunden in Gang zu setzen. Emotionale Beratung – das ist bereits im realen Gespräch notwendig und schwer genug. Bei der VOB kommt die räumliche Distanz hinzu, die spezifische Herausforderungen an das Geschick des Beraters stellt, den Kunden von Bildschirm zu Bildschirm bei den emotionalen Hörnern zu packen. Ein Beispiel ist der Einsatz der Webcam.
Kardinalfehler 3: Gescheiterter Beziehungsaufbau durch handwerkliche Fehler
Eine Webcam und ein Videobild sind die entscheidenden Elemente für den Vertrauensaufbau beziehungsweise für die Ent-Anonymisierung bei der Video- und Online-Beratung: Der Berater lädt zum Beispiel zur Begrüssung ein sympathieweckendes Foto hoch. Er wirkt über die Webcam, indem er den Blickkontakt zum Kunden herstellt. Allerdings muss hierbei beachtet werden: Wenn die Kamera verwackelte und undeutliche Bilder liefert und das Konterfei des Beraters von unten her aufnimmt, weil dieser die Kamera nicht richtig ausgerichtet hat und zudem die Ausleuchtung unprofessionell handhabt, wird dies nur zur Verärgerung des Kunden führen.
Das Beispiel zeigt, dass sowohl die VOB-Technik auf dem neuesten Stand sein als auch die Kompetenzen des Beraters handwerkliche Gesichtspunkte umfassen sollten. Das Unternehmen verfügt über Toptechnik – es fehlt jedoch an Mitarbeitern, die online beraten können. Oder: Die Mitarbeiter sind top, aber die Technik hinkt hinter den Erfordernissen hinterher. Beides wird zum Scheitern führen.
Kardinalfehler 4: Tödliche Langeweile
Der Berater muss dreierlei besitzen: technische, didaktisch-methodische sowie menschliche Beratungskompetenz. Bei dem didaktisch-methodischen Aspekt ist es wichtig, nicht nur zu informieren, sondern zugleich zu unterhalten und zu entertainen. Dieser Punkt darf in unserer eventgeprägten Erlebniskultur nicht vernachlässigt werden.
Notwendig ist ein Gesprächsleitfaden, der zu dramaturgisch sinnvollen Spannungsbögen und Highlights führt, die bei dem Kunden eine Aufmerksamkeitskurve im Hochfrequenzbereich entstehen lässt. In einem realen Gespräch ist die Hemmschwelle, das Büro urplötzlich und fluchtartig zu verlassen, relativ hoch angesiedelt. Bei der Video- und Online-Beratung genügen ein kurzer Hinweis, man habe doch kein Interesse, und ein schneller Mausklick, um den Dialog zu beenden. Der Berater muss darum mit nutzenwerten Informationen am Fliessband punkten und durch eine spannende Präsentation den Kunden «bei der Stange halten».
Dies gelingt, indem er dramaturgisch geschickt seine vorbereiteten Präsentationsfolien nutzt, mit dem Kunden verschiedene Homepages aufsucht und den virtuellen Notizblock einsetzt. Zudem sollte er den Kunden aktiv werden lassen: Dazu lädt er einen virtuellen Taschenrechner hoch – der Kunde rechnet die geldwerten Vorteile, die durch die Anlage entstehen, selbst aus.