Die Schülerin Tessa lud auf Facebook zu ihrem Geburtstag ein. Leider vergass sie zu hinterlegen, dass die Einladung nur für ihre Freunde sichtbar ist. Und so kamen mehr als 1500 Feierwütige, die von der Polizei mit einem Grossaufgebot empfangen wurden … Ein Einzelfall? Keineswegs! Eine 14-jährige Britin aus Hertfordshire erhielt auf Facebook sogar über 21 000 Zusagen zu ihrem 15. Geburtstag. Die Internetcommunity verzeiht keine Fehler – mit teils dramatischen Folgen. Nun ist Tessas Familie kein Unternehmen und kam dank der Umsicht des Vaters auch ohne finanziellen Schaden davon, doch was passiert, wenn Unternehmen auf diese Weise mit dem Internet in Berührung kommen?
Immateriell wertvoll
Eine Befragung durch SAS Batten & Company (März 2011) ergab, dass die Unternehmenspräsenz in sogenannten sozialen Medien zu 42 Prozent der wertvollen Reputation und Imagepflege gilt. Ein Drahtseilakt angesichts der Tatsache, wie schnell das Ganze bereits im privaten Umfeld aus dem Ruder laufen kann. Schliesslich ist die öffentliche Aufmerksamkeit, die auf Unternehmen gerichtet ist, weitaus grösser und der mögliche Imageschaden um Etliches gravierender. Das unterstreicht ein Blick auf die Entwicklung der Unternehmensbewertung zwischen 1960 und 2010: Der gute Ruf eines Unternehmens zählt zu den wichtigsten immateriellen Vermögenswerten und stieg in diesem Zeitraum um 30 Prozent, auf 50 Prozent des unternehmerischen Gesamtwertes. Deshalb muss Onlinereputationsmanagement heute zwangsläufig zentraler Bestandteil des wirtschaftlichen Risikomanagements sein.
Fragiles Image
Betrachtet man den Ruf eines Unternehmens genauer, ist zwischen Image und Reputation zu differenzieren: Das Image lässt sich planen und mit Werbekampagnen steuern, die Reputation hingegen ist über viele Jahre gewachsen. Liess sich das Unternehmensimage vor dreissig Jahren noch leicht über Werbung steuern, so war auch die Reputation in überschaubarer Weise positiv zu beeinflussen, indem auf Qualität, Service und ein überzeugendes Preis-/Leistungsverhältnis geachtet wurde. Heute aber ist Reputation ein äusserst komplexes Gebilde, bestehend aus Produktportfolio, Service, Arbeitsplatzumfeld, Unternehmenszahlen und Finanzen, Visionen und Führung, sozialer Verantwortung und emotionaler Anziehung.
Was hier zunächst sehr theoretisch klingen mag, lässt sich einfach veranschaulichen: Im Internet kann jeder relativ schnell Produktportfolio, Konsumentenbeurteilungen, Schlagzeilen, Aktienkurse etc. finden und mit wenigen Mausklicken abrufen. So entsteht in Nullkommanix ein umfassender, (kauf-)entscheidender Eindruck (Reputationsquotient). Wir leben nun einmal in einer Gesellschaft, die sich über Produkte, Dienstleistungen und Unternehmen im Internet informiert und Kaufentscheidungen davon abhängig macht. Laut einer Studie von Prof. Dr. Ralf Schengber sind vor allem der Markt der elektronischen Geräte, die Automobilbranche und der Tourismus davon betroffen.
Je selbstverständlicher Multiplikatoren wie YouTube, Twitter und Facebook sowie Onlinekaufhäuser wie Amazon und eBay genutzt werden, desto schneller und umfassender erfolgt die Verbreitung, ob nun von Pannen oder guten Nachrichten. Hier liegt eine nicht zu unterschätzende Chance für Unternehmen, ihre positive Reputation aktiv mitzugestalten. Der Versandhandel Otto lieferte unlängst ein gelungenes Beispiel: Im Rahmen eines Model-Contests rief Otto auf Facebook dazu auf, eigene Fotos hochzuladen und einen Gewinner zu küren. Ein männlicher User namens Sascha reagierte auf diese xte Modelsuche in den Medien genervt und liess sich als Frau verkleidet ablichten. Damit löste er eine immense Sympathiewelle aus, so dass er schliesslich von 50 000 Usern als «Der Brigitte» zum Gewinner gekürt wurde. Otto blieb souverän und postete das Bild als Profilbild auf Facebook.
Die Reaktionen überstiegen alle Erwartungen, wie Thomas Voigt, Sprecher von Otto, bestätigt: «Was Sascha mit seinem Foto ausgelöst hat, war gigantisch. Täglich wuchs unsere Fangemeinde um rund 10 000 auf am Ende 160 000.» Dank «Crowdsourcing» gelang es Otto, sein Image auf einzigartige Weise zu verbessern. Ähnlich wie beim Outsourcing wird beim Crowdsourcing ein Aufgabengebiet nach Extern abgegeben, in diesem Fall an eine Gruppe im Internet (Crowd). Crowdsourcing ist eine moderne Ergänzung im Prinzip der
Arbeitsteilung.
Das Beispiel belegt, wie schnell das eigene Image durch eine gezielte Social-Media-Aktion verbessert werden kann. War es nun glücklicher Zufall oder gute strategische Vorbereitung der Kampagne, in der alle Eventualitäten durchdacht worden waren? Um einen Fauxpas und damit einen (teuren) Imageschaden zu verhindern, ist eine solche strategische Vorbereitung unerlässlich.