Erhöhte Geschwindigkeit
Mit rasantem und unvermindertem Tempo wird auf Anbieterseite auf die überall stattfindenden Veränderungen wie Big Data, Cloud Computing (IaaS, PaaS und SaaS) mit neuen Angebotsformen reagiert. Dies hat zur Folge, dass sich die IT-Abteilungen vielerorts von reinen Produktionsbetrieben zu Servicebrokern wandeln oder sich gegen diese externen Serviceerbringer – nicht zuletzt auf der Kostenseite – behaupten müssen. Im Weiteren sieht sich das IT-Management vermehrt mit der Anforderung konfrontiert, für ihre IT-Leistungen transparente Preiskalkulationen und messbare SLAs (Service Level Agreements) liefern zu müssen.
Der Einbezug neuer Technologien und Kombinationsmöglichkeiten (z. B. agile Softwareentwicklung / Business Solutions als Service unter Cloud) eröffnen dem Business innovative Geschäftsmöglichkeiten.
Sei es vom Business oder von der IT getrieben, müssen die neuen Angebotsvarianten in immer schnelleren Zyklen auf die möglichen Auswirkungen und das Kosten- und Nutzenverhältnis analysiert werden. Dies bedingt zusätzliches Fach- und Marktwissen und führt zu höheren Belastungen in den Beschaffungsorganisationen.
ICT-Beschaffungsorganisationen unter Druck
Durch die bestehenden Tätigkeiten in operativen wie auch in strategischen Belangen und der Umsetzung immer neuer Herausforderungen sind die sogenannten Beschaffer vielerorts von der Belastung her im Grenzbereich. Faktisch bedeutet dies, dass es fast unmöglich ist, «up to date» zu sein. Das vorhandene Wissen alleine reicht in dieser «Geschwindigkeitgesellschaft» nicht mehr aus.
Die Umsetzung und Einhaltung der zunehmenden internen und externen Governance-Massnahmen – wer kann es sich leisten, nicht «compliant» zu sein und bspw. die Genehmigungsprozesse nicht dokumentiert zu haben – zehren zusätzlich an der Kapazität der gleichen Zielgruppe bzw. Beschaffungsorganisation.
Im Weiteren muss festgehalten werden, dass Vertragsgrundlagen permanent durch die Anbieter an die neuen Angebotsformen angepasst werden und viele Unternehmen in der Schweiz über keinen ICT-Einkaufs- und -Vertragsspezialisten verfügen. Damit werden diese in der Zukunft bei der Vertragserneuerung und insbesondere bei Vertragsbeendigung meist vor finanzielle Tatsachen gestellt, die bei Beginn nicht eingeplant waren.
Taskforce-artige Vorgehensweisen nehmen zu
In zunehmender Form wird das Management mittels speziellen Berichten und Fachbeiträgen über die neuen Technologien, Angebotsarten und das veränderte Lieferantenverhalten – insbesondere durch Analysten – sensibilisiert.
Gerade in umfangreichen Verhandlungen über hohe Investitionen oder bspw. in kurzfristig angekündigten Audit-Verfahren im Softwarebereich können diese indirekt flankierenden Sensibilisierungsmassnahmen auch zu einer Verunsicherung führen. Dies bedingt in aller Regel eine rasche Auskunftsbereitschaft der Beschaffungsorganisation und spezifisches Know-how sowie einen Einbezug einzelner interner Bereiche. Hier darf auch die Frage gestellt werden, ob die notwendigen Rahmenbedingungen (z.B. Skills/Know-how/ Tools) gegeben sind. In vielen Situationen führt dies dazu, dass immer häufiger externes Fach- und Expertenwissen kurzfristig einbezogen wird. In vielen Fällen kann auch ein direktes Eingreifen des Managements – unter dem Hintergrund der Risikominimierung – beobachtet werden, was jedoch auch zu Überreaktionen und letztlich zu Zusatzaufwendungen für alle im Beschaffungsprozess Beteiligte führen kann.
Kostenmanagement, Kosteneffizienz und Flexibilität gefragt
Mit der Vernetzung von Kunden, Märkten, Mitarbeitern und der ganzen Wertschöpfungskette erhalten die IT-Strategien wieder eine zunehmende Bedeutung in den Managementgremien der Unternehmen. Anstelle ganzheitlicher Outsourcing-Konzepte erhalten flexiblere Sourcing-Modelle den Vorzug, welche bedarfsorientierte Dienstleistungen und neue Verrechnungsmodelle ermöglichen (z.B. Business Solutions als Service über die Cloud). Das Benchmarking bzw. die Vergleichbarkeit von Angeboten und deren Leistungsbeschreibungen – nicht nur in kommerziellen Belangen, sondern auch in vertraglichen Bestimmungen – setzt einen übergreifenden Wissens- und Erfahrungsaustausch voraus.
Vorhandenes Potenzial wird kaum ausgeschöpft
Die Möglichkeit von flexiblen und ausgewogenen ICT-Verträgen mit attraktiven Konditionen wird vielerorts zu wenig konsequent genutzt. Stattdessen werden oft nur marginale Änderungen in der Vertragsvorlage des Herstellers verlangt. Trotz knappen Budgets sind Vertragserneuerungen, Zusatz- und Neubeschaffungen im Rahmen der gegebenen Rahmenbedingungen unumgänglich.
Verschieden Gründe können dazu führen (beispielhaft):
› ungenügender Einbezug der vorhandenen personellen Ressourcen in Fachgruppen, Gremien ausserhalb des Unternehmens und Austausch mit Experten (kaum Vernetzung)
› die unzureichend vorhandenen Skills
› Lieferanten schützen sich mit Vertraulichkeitserklärungen gegen einen Informationsaustausch der Endkunden untereinander. In vielen Fällen wird die Einzigartigkeit des kundenspezifischen Vertrags mit einem angeblich überragenden Preis- Leistungs-Verhältnis dem Vertragspartner als Verhandlungserfolg suggeriert . Mit Erfolg – eine gewisse Genugtuung kann auf Kundenseite beobachtet werden, ohne jedoch Vergleichsmöglichkeiten oder Dritteinschätzungen gekannt zu haben.
› stillschweigend erneuern und verteuern sich Wartungsverträge laufend und bilden einen immensen Kostenblock im IT-Budget.
Bei Vertragsverhandlungen kann vermehrt festgestellt werden, dass unter dem bereits angesprochenen Zeitdruck aller Involvierter und teilweise unter der Hartnäckigkeit der Lieferantenvertreter immer mehr die sogenannten Standardterms der Lieferanten Einzug erhalten und Flexibilitätsklauseln auf der Strecke bleiben. Dies führt in aller Regel nur zu kurzfristigen Verhandlungserfolgen und kann für betriebliche Belange belastend sein. Beispiel: Ein Software-Audit wird kurzfristig angekündigt und durchgeführt, ohne dass jedoch genügend personelle Ressourcen für die Begleitung zur Verfügung gestellt werden können und ein gemeinsam abgestimmter Audit-Ablauf festgelegt wurde.
Risikominderung durch vorausschauende Vertragsausgestaltung: Zu fordern sind solide und faire vertragliche Regelungen und Vertragsverhältnisse, welche zukünftigen – teilweise nicht planbaren – Ereignissen und sich ändernden Rahmenbedingungen besser Rechnung tragen, jedoch keinen Spielraum für irgendwelche einseitigen Interpretationen zulassen. Dies bedingt ein umfassendes Verständnis für vertragstechnische, juristische, kommerzielle, fachtechnische und betriebliche Aspekte im Rahmen der Verhandlungen.
Change- und Forderungsmanagement erforderlich
Ein konsequentes Überwachen, Beurteilen von Abweichungen bzw. Änderungen der vertraglichen Leistungen und deren wirtschaftlichen Folgen bleibt vielfach in Projekten aus. Abweichungen können hinsichtlich der vereinbarten Termine, der Kosten und der zu erbringenden Ergebnisse/Leistungen aus unterschiedlichen Aspekten entstehen. Umso mehr ist es erstaunlich, dass nach herausfordernden Vertragsverhandlungen diesem Umstand in der Praxis zu wenig Rechnung getragen wird. So wird der Projektleiter in komplexen Projekten gerade in diesen Fragestellungen oft alleine gelassen.
Ein effektives Change- und Forderungsmanagement bietet in vielen Fällen die einzige Möglichkeit, Projekte in finanziell erfolgreichem Rahmen zu realisieren. Dies sollte insbesondere bei Projekt-, Outsourcing-, Service- und Wartungsverträgen stärker gewichtet und organisatorisch verankert werden. Es kommt auch nicht selten vor, dass bei Produkten im Langzeiteinsatz und immer noch zu den damals vereinbarten Leistungen die Wartungskosten durch die automatisieren Teuerungsaufschläge in keinem Verhältnis mehr zum effektiven Nutzen stehen. Mit anderen Worten, die bisherige Lösung wurde zu Tode gepflegt und neue, effiziente Ansätze verschlafen.