Die folgenden sieben Handlungsempfehlungen beschreiben Massnahmen, mit denen sich unternehmerisches Glück ein Stück weit steuern lässt. Sie helfen den Unternehmern, sich und ihr Unternehmen auf Glück vorzubereiten und sich so ihre «Glücksrente» zu sichern.
1. Rausgehen
Das Glück ist draussen. Soll heissen: es liegt beim Kunden. Denn die intensive Auseinandersetzung mit Kundenbedürfnissen ist der wichtigste glücks- und erfolgstreibende Faktor, neben dem Umgang mit dem technologischen Wandel. Unternehmer, die das Glück beim Kunden suchen, haben häufiger Glück und sind vermehrt «zur richtigen Zeit am richtigen Ort», um von glückhaften Ereignissen zu profitieren.
Im Weiteren sehen wir Allianzen, Partnerschaften und Netzwerke als die zentralen Quellen von Glück, das von aussen kommt. Natürlich hat auch das Glück von innen seine Bedeutung – man denke nur an die Kraft zufälliger Innovationen oder Erfindungen. Doch es ist weniger effizient, sich auf interne statt externe Impulse vorzubereiten. Denn interne Glücksfälle treten schlicht sehr viel seltener ein als externe.
2. Den technologischen Wandel gestalten
Die Fähigkeit im Umgang mit dem technologischen Wandel hat für den Unternehmer den grössten Einfluss auf Glück und Erfolg. Ein Unternehmer, der sich bewusst am technologischen Wandel beteiligt, hat die besten Chancen, sich frühzeitig zusätzliche Wettbewerbsvorteile zu sichern. Dabei muss er eigene Kernkompetenzen sowie technologisches Knowhow konsequent in neue Märkte einbringen. Denn gerade die Kombination von selbst entwickeltem Technologievorsprung und dem Erschliessen neuer Märkte bringt neue Opportunitäten – und letztlich auch glückhafte Ereignisse. Diese Tatsache machen sich viele Schweizer KMU seit jeher zunutze, indem sie sich erfolgreich – und bisweilen auch von Glück begleitet – in Nischenmärkten als Marktführer etablieren.
3. Mitarbeitende gezielt einstellen
Eine wichtige Quelle von Glück sind neue Mitarbeitende. Unternehmen sollten es wagen, ihre üblichen Einstellungsschemata bisweilen zu verlassen und Mitarbeitende mit anderen Denkweisen, unbekannten Methoden oder neuen Netzwerken einzustellen. Auch hier geht es darum, das Glück von aussen ins Unternehmen zu holen. Hao Ma (siehe Kasten «Literatur») nennt diese Mitarbeitenden «dream expediters»: Durch das Einstellen eines neuen Kollegen erhalten Firmen auf glückhafte Art und Weise einen neuen Impuls, der sie auf neue Wege führt. Sony beispielsweise konnte durch die Einstellung einen jungen, Sony stark kritisierenden «tough customers», bedeutende wirtschaftliche Erfolge im Audiobereich erzielen.
4. Kontrolle erhalten, Kontrolle behalten
Ein glückhaftes Ereignis an sich mag rein zufällig eintreten. Aber was ein Unternehmer daraus macht, ist alles andere als Zufall. Dabei spielt die Kontrolle eine entscheidende Rolle. Wie erfolgreich jemand mit Glück generell oder mit einem glückhaften Ereignis im Besonderen umgeht, hängt zu einem grossen Teil davon ab, wie gut er Kontrolle über das Glück erlangt. Einerseits geht es darum, bereits vor dem Eintreten eines glückhaften Ereignisses alles zu tun, um die Eintrittswahrscheinlichkeit zu erhöhen, etwa durch gezielte Lobbyarbeit, Allianzen, Kundeninteraktionen oder Versicherungen. Andererseits soll der Glücksanteil eines eintretenden Glücksereignisses konsequent reduziert werden, um maximal davon zu profitieren. Dieses Prinzip nennen wir «Glücks-Paradoxon»: Ein Unternehmen braucht glückhafte Ereignisse, um erfolgreicher zu sein als die Konkurrenz. Wenn das Ereignis schliesslich eintritt, sollte der Glücksanteil durch Kontrolle möglichst minimiert werden. Dafür muss das Unternehmen rasch erkennen, dass es sich um einen Glücksfall und somit um eine strategisch wichtige Ressource handelt, die es kontrolliert in Erfolg umwandeln kann. Kurz: Man soll sein Glück nicht dem Zufall überlassen.
5. Mut, etwas anders oder gar nicht zu machen
Um möglichst gut von glückhaften Ereignissen profitieren zu können, muss der Unternehmer den Markt bereits im Vorfeld sehr genau beobachten und im Zweifelsfall auch den Mut haben, sich ganz anders zu verhalten als seine Mitbewerber. Dies gilt nicht nur für neue Entwicklungen, sondern auch für interne Prozesse und Strukturen. Denn eine nicht zu unterschätzende Quelle von Glück sind Regelbrüche oder das Umgehen etablierter Prozesse. Gerade für Firmen mit starkem Kostenfokus kann es sich auszahlen, mit bestehenden Konventionen zu brechen oder eine Option bewusst nicht in Anspruch zu nehmen. Beim Kostenführer ist diese «glückhafte Unterlassung» eine der stärksten, wenn auch noch zu wenig genutzten Quellen von Wettbewerbsvorteilen. Denn das Neue und Unbekannte ist meistens zunächst mit hohen Kosten verbunden – Kosten, die sich nicht in jedem Falle rechnen.
6. Glück absichern
Glück ist flüchtig, man kann es weder festhalten noch aufbewahren. Dennoch lässt sich Glück als strategische Ressource verstehen und nutzen. Ein Unternehmer muss sich fragen, wie er die positiven Effekte eines Glücksfalls möglichst gut absichert, also die Wettbewerbsvorteile nachhaltig wahrt. Langfristige Wettbewerbsvorteile kann er gerade dann realisieren, wenn sich nach Eintreten des Ereignisses Wettbewerbsbeschränkungen aufrechterhalten lassen. Das gelingt vor allem, wenn das Unternehmen über einzigartige Fähigkeiten verfügt, um das Ereignis produktiv zu nutzen – Fähigkeiten, die die Mitbewerber nicht kopieren oder erwerben können. Der Unternehmer muss also nicht nur dafür sorgen, dass ein glückhaftes Ereignis eintritt, er muss sich auch möglichst schnell eine Strategie zu dessen Bewahrung zurechtlegen.
Auch hier gewinnt die gute Vorbereitung: Ihr Ziel ist es, die Infrastruktur und die Ressourcen für die langfristige Nutzung des Ereignisses wo möglich bereits vor dem Eintreten bereitzustellen und vor dem Wettbewerb zu schützen. Das bedingt auch, dass der Unternehmer den mit dem glückhaften Ereignis verbundenen Schlüsselpersonen hohe Beachtung schenkt und versucht, sie langfristig ans Unternehmen zu binden.
7. Ans Glück glauben
Es lohnt sich, an sein Glück zu glauben. Bereits die Anerkennung von Glück als wichtige Komponente des Unternehmenserfolgs bringt mehr Glück und Erfolg. Dass diese Anerkennung heute keineswegs verbreitet und sozial erwünscht ist, zeigt ein Blick auf die offizielle Kommunikation zahlreicher Unternehmen. «Glück» kommt hier schlicht nicht vor. «Ja nichts zugeben», lautet die Devise. Allerdings ist eine zuversichtliche Grundeinstellung gegenüber Glück sehr vorteilhaft und zeugt von Umsicht, positivem Selbstverständnis und einer gewissen Demut gegenüber der eigenen Schaffenskraft und dem eigenen Einfluss.
Es geht nicht darum, blind auf sein Glück zu vertrauen. Ganz im Gegenteil: Oft ist das, was nach aussen wie pures Glück aussieht, das Ergebnis einer sorgfältigen Vorbereitung. Glück anzuerkennen, hat viel mit einer offenen, positiven Grundhaltung zu tun, strahlt Optimismus aus und zeugt von der Erkenntnis, dass nicht alles bis ins letzte Detail planbar ist.
Wer ist im Unternehmen für die Ressource Glück verantwortlich? Wer ist der «CLO», der «Chief Luck Officer»? Wir meinen: jeder Einzelne. Dies bedingt, dass die Entscheidungsträger ans Glück glauben, die Bedeutung von glückhaften Ereignissen für den Unternehmenserfolg anerkennen und sich und ihr Unternehmen entsprechend vorbereiten. Oder um es mit den Worten des französischen Chemikers, Mediziners und Bakteriologen Louis Pasteur (1822–1895) zu sagen: «Das Glück bevorzugt den vorbereiteten Geist.» «