Inflationsprognose weiterhin mit Unsicherheiten behaftet

Die weltweite Konjunkturerholung setzt sich fort, auch wenn sich die Aussichten in den letzten Wochen leicht eingetrübt haben. Die Schweizer Wirtschaft ist zunehmend gut ausgelastet. Sie profitiert trotz der starken Aufwertung des Frankens weiterhin von der robusten internationalen Nachfrage. Allerdings geraten die Margen der Exportwirtschaft zunehmend unter Druck. Die Nationalbank geht für 2011 unverändert von einem Wachstum des realen Bruttoinlandprodukts in der Schweiz von rund 2 Prozent aus.

Risiko Frankenstärke

Insgesamt überwiegen jedoch weiterhin die Abwärtsrisiken. Dazu zählt insbesondere die Schuldenproblematik in den peripheren Ländern der Eurozone. Zudem sehen sich aufgrund hoher Defizite weltweit verschiedene Länder dazu gezwungen, fiskalische Konsolidierungsmassnahmen zu ergreifen, obwohl ihre Wirtschaftslage fragil ist. Der erfolgte Rohstoffpreisanstieg belastet das Wachstum der Weltwirtschaft und birgt Gefahren für die globale Teuerungsentwicklung. In der Schweiz bleiben die Hauptrisiken einerseits die Auswirkungen der Frankenstärke auf die Exportwirtschaft, andererseits die Überhitzungsgefahr im Immobiliensektor.

Die bedingte Inflationsprognose der Nationalbank liegt bis Anfang 2012 über der Prognose vom Vorquartal. Dies ist auf die Annahme eines im Vergleich zum Vorquartal höheren Ölpreises und etwas höherer Importpreise zurückzuführen. Unter Annahme eines während des Prognosezeitraums unveränderten Drei­monats-Libors von 0,25 Prozent erwartet die Nationalbank eine durchschnittliche Teuerung von 0,9 Prozent für 2011, 1,0 Prozent für 2012 und 1,7 Prozent für 2013. Wegen der jüngsten Aufwertung des Frankens und des etwas schwächeren internationalen Wachstums fällt die neue Prognose im Verlauf von 2012 unter diejenige vom März.

Gegen Ende des Prognosezeitraums steigt die Teuerung rasch an und überschreitet die Grenze von 2 Prozent. Daraus geht hervor, dass die gegenwärtige expansive Geldpolitik nicht über den gesamten Prognosehorizont weitergeführt werden kann, ohne die Preisstabilität längerfristig zu gefährden. Aufgrund der erwähnten Risiken ist die bedingte Inflationsprognose jedoch mit hoher Unsicherheit behaftet.

Internationale Aussichten

Weltweit setzte sich das Wirtschaftswachstum im ersten Quartal fort, wenn auch mit deutlichen regionalen Unterschieden. Wie schon in den Vorquartalen verzeichneten die aufstrebenden Volkswirtschaften die höchsten Wachstumsraten. In der Eurozone, insbesondere in Deutschland, wurde die Erholung von der regen Export- und Investitionstätigkeit gestützt. Dagegen belasteten in den USA die hohen Energiepreise die Stimmung und wirkten wachstumsdämpfend. Zudem hemmt die fortdauernde Krise am Immobilienmarkt die wirtschaftliche Erholung. In Japan ging das Bruttoinlandprodukt aufgrund der Erdbebenkatastrophe markant zurück.

In den kommenden Monaten dürfte sich der Aufschwung der Weltwirtschaft fortsetzen, wenngleich die weltwirtschaftlichen Aussichten etwas weniger erfreulich sind als im März. Insbesondere in den USA fielen die jüngsten Produktions- und Arbeitsmarktindikatoren enttäuschend aus. Wegen der höheren Rohstoffpreise und der Produktionsausfälle in Japan hat die Nationalbank ihre Wachstumsprognose 2011 für die Industrieländer etwas nach unten revidiert. Zudem planen zahlreiche Länder für das kommende Jahr zusätzliche Sparmassnahmen. Die seit Herbst letzten Jahres gestiegenen Rohstoffpreise dürften 2011 weltweit zu einer deutlich höheren Teuerung führen.

Aussichten für die Schweiz

In der Schweiz verlangsamte sich der Anstieg des realen Bruttoinlandprodukts gemäss der Schätzung des SECO im ersten Quartal vor allem aufgrund der gedämpften Entwicklung des privaten Konsums und der Ausrüstungsinvestitionen. Dank der robusten internationalen Nachfrage, insbesondere aus Deutschland und Asien, legten dagegen die Exporte trotz der Frankenstärke deutlich zu. Wachstumsstützend wirkte auch die sehr dynamische Bautätigkeit. Die Auslastung der technischen Kapazitäten nahm weiter zu und liegt in der verarbeitenden Industrie über dem langjährigen Durchschnitt. Im Bausektor erreichte sie sogar einen neuen Höchststand. Auch die Erholung auf dem Arbeitsmarkt setzte sich fort. Nach einem massiven Anstieg während der Krise hat sich die Kurzarbeit weitgehend zurückgebildet. Die saisonbereinigte Arbeitslosenquote nahm im Mai auf 3,0 Prozent ab und die Unternehmen melden vermehrt Schwierigkeiten, qualifizierte Arbeitskräfte zu rekrutieren.

Exportorientierte Unternehmen sind wegen der Aufwertung des Frankens einem starken preislichen Wettbewerb ausgesetzt. Besonders die Margen in der verarbeitenden Industrie stehen teilweise unter sehr grossem Druck. Allerdings deuten die Umfrageergebnisse nach wie vor darauf hin, dass die robuste Auslandnachfrage eine gute Auslastung der Kapazitäten ermöglicht und die Exporttätigkeit stützt. Auch für die Binnennachfrage bleiben die kurzfristigen Aussichten gut. Die Bauinvestitionen profitieren von günstigen Finanzierungsbedingungen, während die höhere Kapazitätsauslastung die Ausrüstungsinvestitionen stimulieren sollte. Die Arbeitsnachfrage dürfte sich weiter festigen. Die Nationalbank geht für dieses Jahr unverändert von einem Wachstum des realen Bruttoinlandprodukts von rund 2 Prozent aus.

Rahmenbedingungen

Die monetären Rahmenbedingungen standen auch weiterhin im Spannungsverhältnis von tiefen Zinsen und einem Franken, der sich im zweiten Quartal deutlich aufgewertet hat. Der Dreimonats-Libor verharrte seit der letzten Lagebeurteilung weiter im unteren Bereich des Zielbandes. Bei leicht anziehenden Inflationserwartungen blieben die Realzinsen niedrig und im kurzfristigen Bereich sogar negativ. Die langfristigen Zinssätze sind insgesamt seit ihrem Tiefpunkt im August 2010 angestiegen, befinden sich aber nach wie vor auf einem niedrigen Niveau.

Dagegen wertete sich der Franken real und exportgewichtet im zweiten Quartal weiter auf und hat historische Höchststände erreicht. Bis Anfang Mai schwächte sich hauptsächlich der US-Dollar gegenüber dem Franken deutlich ab, während danach die erneuten Sorgen um die Stabilität in der Eurozone auch zu einer Abwertung des Euros führten. Mein Kollege Jean-Pierre Danthine wird später auf die Lage an den internationalen Finanzmärkten eingehen. Die Nationalbank betrachtet die Wechselkursentwicklung mit Besorgnis. Die Prognosen der Nationalbank basieren auf einer Beruhigung der Wechselkursentwicklung in der mittleren Frist. Sollte der Wechselkurs erneut starken Änderungen ausgesetzt sein, würde dies eine Neubewertung der Inflationsaussichten erfordern.

Seit der letzten Lagebeurteilung wuchsen die Geldmengen M2 und M3 mit Vorjahresraten von rund 7 Prozent. Dieses hohe Wachstum erklärt sich zum Teil aus den gegenwärtig tiefen Zinsen. Insgesamt ist in der Wirtschaft reichlich Liquidität vorhanden, was in der langen Frist potenzielle Risiken für die Preisstabilität birgt.

Auch die Hypothekarkredite sind mit 4,7 Prozent im April weiterhin kräftig gewachsen. In einem Umfeld tiefer Zinsen und markant steigender Immobilienpreise kann ein hohes Hypothekenwachstum Risiken für die Finanzstabilität bergen. Angesichts der potenziellen Risiken für den Finanzsektor beobachtet die Nationalbank die Situation auf dem Hypothekar- und Immobilienmarkt weiterhin mit grosser Aufmerksamkeit.

Grafik der Inflationsprognose

Die rote (gestrichelte) Linie stellt die neue bedingte Inflationsprognose dar. Sie zeigt die zukünftige Entwicklung der Teuerung bei einem über die nächsten zwölf Quartale unveränderten Dreimonats-Libor von 0,25 Prozent und deckt den Zeitraum vom zweiten Quartal 2011 bis zum ersten Quartal 2014 ab. Die grüne (strichpunktierte) Linie stellt zum Vergleich die bedingte Inflationsprognose vom letzten Quartal dar, die ebenfalls von einem Dreimonats-Libor von 0,25 Prozent ausgegangen war.

Die neue bedingte Inflationsprognose verläuft bis Anfang 2012 über der Prognose vom Vorquartal. Dies ist auf die Annahme eines im Vergleich zum Vorquartal höheren Ölpreises und etwas höherer Importpreise zurückzuführen. Der deutliche Anstieg im dritten Quartal 2011 erklärt sich aus einem Basiseffekt, da die Inflation im entsprechenden Vorjahresquartal vergleichsweise niedrig gewesen war. Zudem ist im dritten Quartal 2011 ein Sondereffekt aufgrund eines höheren Erhebungsrhythmus der Preise für Bekleidung und Schuhe zu erwarten, der auch für den Anstieg der Inflation im ersten Quartal verantwortlich gewesen war. Wegen des inflationsdämpfenden Effekts der jüngsten Aufwertung des Frankens fällt die neue Prognose im Verlauf von 2012 unter diejenige vom März. Gegen Ende des Prognosezeitraums steigt die Teuerung rasch an und überschreitet die Grenze von 2 Prozent. Daraus geht hervor, dass die gegenwärtige expansive Geldpolitik nicht über den gesamten Prognosehorizont weitergeführt werden kann, ohne die Preisstabilität längerfristig zu gefähr- den. Aufgrund der eingangs erwähnten Risiken ist die bedingte Inflationsprognose jedoch mit hoher Unsicherheit behaftet.